Bei der Diagnostik von Gedächtnisbeeinträchtigungen ist eine umfangreiche neuropsychologische Diagnostik unerlässlich, um die genauen Auswirkungen der Störung zu kennen und dadurch eine geeignete Therapieauswahl treffen zu können. Hinweise auf Schädigungen bieten zunächst bildgebende Verfahren (z.B. MRT, CT), durch die der Ort und das Ausmaß der Hirnschädigung eingesehen werden kann. Des Weiteren ist es wichtig, eine Anamnese der vorhandenen Beschwerden durchzuführen, den Verlauf der Symptomatik und die vom Patienten verwendeten Strategien im Umgang mit den Beeinträchtigungen zu beobachten. Weiterhin muss abgeklärt werden, inwiefern eventuell gleichzeitig vorhandene Störungen der Aufmerksamkeit und der Exekutivfunktionen zu den Gedächtnisbeeinträchtigungen beitragen. Bei der Diagnostik von Gedächtnisbeeinträchtigungen werden folgende Gedächtnisfunktionen untersucht:
• Orientierung • Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis, • die Aufnahme und längerfristiges Behalten neuer Informationen im Langzeitgedächtnis • Episodisches Gedächtnis und Semantisches Gedächtnis • Alltagsleistungen und Anforderungen • Fertigkeitengedächtnis
Es gibt eine Vielzahl von Tests zur Diagnostik von Gedächtnisbeeinträchtigungen, die darauf abzielen, das genaue Muster der Schwierigkeiten abzuklären. Dabei werden z.B. unterschiedliche Materialen eingesetzt (z. B. sprachliche Reize und figurale Reize), um das Auftreten von Beeinträchtigungen für verschiedene Arten von Gedächtnisinhalten testen zu können. Außerdem wird der Abruf der gelernten möglichst nach unterschiedlichen Zeitintervallen durchgeführt, um die Dauer der Behaltensleistung zu untersuchen. Auch Angehörige sollten miteinbezogen werden, da manche Patienten als Teil des Störungsbildes eine eingeschränkte Selbstwahrnehmung haben und somit bestimmte Schwierigkeiten nicht wahrnehmen, die jedoch den Angehörigen als Veränderung auffällt. Orientierung Die Orientierung des Patienten betrifft sowohl die eigene Person, die situative Orientierung, die zeitlich-kalendarische Orientierung sowie die örtlich-geographische Orientierung. Dazu werden dem Patienten Fragen zu seiner Person gestellt, beispielsweise woher die Person kommt, wie sie heißt, wo er sich gerade befindet und an welchem Datum die Untersuchung gerade stattfindet. Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis Wechsler Zahlenreihen Test (Wechsler Memory Scale Revised WMS-R) : Kurzzeitgedächtnis-Spanne Dieser Test prüft die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses. Dem Patienten wird eine Zahlenreihe vorgegeben, die er sich merken soll, z.B. 7 – 5 – 6 – 1 – 9 – 4 – 2 – 8 – 4 – 3. Innerlich wiederholt der Patient vermutlich die Zahlen, um sie sich so zu behalten. Die maximale Anzahl korrekt wiedergegebener Zahlen bezeichnet man als Kurzzeitgedächtnisspanne. Soll der Patient die Zahlenreihe rückwärts wiedergeben, beansprucht man für die Lösung der Aufgabe das Arbeitsgedächtnis. Die korrekt wiedergegebene Anzahl an Zahlen bildet dann die Arbeitsgedächtnis-Spanne. Die Aufnahme neuer Informationen ins Langzeitgedächtnis Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT) von Helmstaedter, C., Lendt, M., Lux, S. (2001) Bei diesem Test wird dem Patienten eine Lernliste mit 15 Wörtern gezeigt, die er sich merken und danach wiedergeben soll. Nach fünf Lerndurchgängen der Wortliste wird dem Patienten eine andere Liste, eine sogenannte Interferenzliste mit ebenfalls 15 Wörtern gezeigt, die er danach wiederum wiedergeben soll. Im nächsten Schritt soll der Patient die Wörter der Lernliste wiedergeben. Darauf folgt eine ca. halbstündige Verzögerung. Im letzten Schritt soll der Patient dann die Lernliste wiedergeben sowie Wörter, die in der Lernliste waren, versuchen wiederzuerkennen. Bei der Auswertung wird auf die Anzahl richtig wiedergegebener Worte geachtet. Außerdem werden der Abruf nach zeitlicher Verzögerung, die Vergessensrate nach zeitlicher Verzögerung sowie die Wiedererkennensleistung gemessen. Autobiographisches Gedächtnis-Interview (AMI): Episodisches und semantisches Gedächtnis Wie der Name schon sagt, werden dem Patienten Fragen zur eigenen Autobiographie gestellt. Dabei werden zehn Lebensabschnitte bzw. Themenbereiche abgedeckt, wie z.B. Fragen zur frühen Kindheit, zur Schulausbildung, zum Kennenlernen von Personen, etc., wobei alle Bereiche des chronologischen Lebenslaufs abgedeckt werden. Der Test wird in zwei Abschnitte unterteilt, einen Wissenstest und einen Ereignistest. Beim Wissenstest werden spezifische Fakten aus dem eigenen Leben erfragt (z.B. wie hieß der Namen der Schule), im Ereignistest sollen Ereignisse aus dem jeweiligen Lebensabschnitt erinnert werden. Fertigkeitsgedächtnis Nachzeichnen im Spiegel (Milner 1962, 1965): Fertigkeitsgedächtnis Die Aufgabe besteht darin, mit einem Stift eine Form nachzufahren. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass der Patient die eigene Hand, den Stift und die Form, die nachzuzeichnen ist, nur im Spiegel sieht. Patienten mit einer retrograden Amnesie verbessern sich von Versuch zu Versuch, können sich aber nicht daran erinnern, die Aufgabe zuvor schon bearbeitet zu haben.