Glaukom
Bei dem Glaukom handelt es sich um eine Erkrankung, die zu einem chronischen Verlust retinaler Ganglienzellen und deren Axone führt und mit einer Schädigung der Papille und des Gesichtsfeldes einhergeht. Einige Risikofaktoren des Glaukoms, wie ein erhöhte Augeninndruck, sind bekannt, doch die genaue Pathogenese ist bisher unklar. Unter anderem werden mechanische Prozesse, ischämische Schäden, Exzitotoxizität oder immunologische Prozesse als Krankheitsauslöser diskutiert.
EXPERIMENTELLES AUTOIMMUNES GLAUKOMMODELL
Um diese Thesen zu untersuchen arbeitet unsere Arbeitsgruppe mit einem sogenannten Autoimmunen Glaukom Modell, bei dem ein Verlust retinaler Ganglienzellen durch Immunisierung mit okulären Antigenen induziert wird. Wir beschäftigen uns mit verschiedenen Komponenten des Autoimmunsystems, die über unterschiedliche Apoptosemechanismen den Zelltod herbeiführen können. Diese Untersuchungen werden mit diversen zellbiologischen und proteinbiochemischen Methoden durchgeführt, wie z.B. Immunhistologie, Western Blot, RT-qPCR, Zellkultur, und Fluorescence activated cell sorter (FACS).
Wir konnten zeigen, dass es durch eine Immunisierung mit verschiedenen Antigenen zu einem Verlust von retinalen Ganglienzellen und zur Degeneration von Sehnerven kommt. Dabei führt sowohl ein Homogenat von okulären Antigen (ONA) (Laspas et al. 2011) zu einem Zellverlust, als auch die Gabe von aufgereinigten Antigenen wie dem Hitzeschockprotein 27 (Wax et al. 2008, Joachim et al. 2009), S100B (Casola et al. 2015, Reinehr/Kuehn et al. 2018) und GDNF (Casola et al. 2016). In ersten Studien zeigten sich Autoantikörper-Ablagerungen sowohl in der Retina als auch im Sehnverv (Laspas et al. 2011, Joachim et al. 2012).
Es stellt sich nun die Frage, inwieweit diese Ablagerungen mit dem Zellverlust in Verbindung stehen. Diese Autoantikörper können zum Beispiel das Komplementsystem aktvieren. Das Komplementsystem ist Teil des angeborenen Immunsystems und spielt auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson eine entscheidende Rolle (McGeer and McGeer 2004, Fonseca et al. 2011). Das Komplementsystem kann über drei verschiedene Wege aktiviert werden. Alle Wege führen schließlich zum Protein C3 und zur Bildung des Membranangriffskomplexes (MAC), welcher die Zielzellen lysiert. Eine vermehrte Bildung von MAC konnte in Analysen des Autoimmunen Glaukom Modell in Retinae und Sehnerven nachgewiesen werden (Reinehr et al. 2016). Die Aktivierung der Komplementkaskade scheint in dem Modell über den Lektinweg stattzufinden (Reinehr et al. 2016; 2018).
Abbildung 1: Aktivierung des terminalen Membranangriffskomplexes in Retina und Sehnerv
A) Der Membranangriffskomplex (MAC) wurde auf retinalen Querschnitten in grün markiert. In blau sind die Zellkerne (DAPI) zu sehen. B) 7 Tage nach Immunisierung mit ONA kam es zu einer ersten signifikanten Vermehrung von Signalen von MAC in der Retina im Vergleich zur Kontrolle (p=0,3). Während nach 14 Tagen keine Unterschiede detektiert werden konnten, kam es zu einem erneuten Anstieg der MAC-Signale nach 28 Tagen (p=0,003). C) Auch auf longitudinalen Sehnervschnitten wurde MAC gefärbt (grün) und Zellkerne wurden mit DAPI in blau dargestellt. D) Simultan zur Retina kam es 7 Tage nach Immunisierung zu einem signifikanten Anstieg von MAC+ Zellen in der ONA Sehnerven (p<0,001). Nach 3 und 14 Tagen konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen detektiert werden. GCL=Ganglienzellschicht. Maßstäbe: 20 µm. *p<0,05; ***p<0,001. (Reinehr et al., 2016).
Neben dem Komplementsystem konnten zusätzlich Erkenntnisse über Glia-Zellen generiert werden. Die Glia-Zellen sind im zentralen Nervensystem (ZNS), und somit auch im Auge, für verschiedene Aufgaben verantwortlich. Die Mikroglia, als eine von drei Glia-Zelltypen, sind dem mononukleären-phagozytären System zugeordnet und dienen der Immunabwehr im ZNS. Interessanterweise konnten wir eine Erhöhung dieser Zellen in der Retina und dem Sehnerv nach Immunisierung nachweisen noch bevor es zum Absterben retinaler Ganglienzellen kommt (Noristani/Kuehn et al. 2016). Neben den Mikroglia sind auch Makroglia Zellen in der Retina zu finden. Wir konnten zeigen, dass auch diese nach einer Immunisierung reagieren und es zu einer Astrogliose kommt (Casola et al. 2015).
Um noch mehr Forschungsmöglichkeiten mit diesem Modell zu haben, wurde das bisher nur in Ratten etablierte Modell in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Zellmorphologie und molekularer Neurobiologie (Ruhr-Universität Bochum) nun auch in Mäuse transferiert. Mäuse bieten jedoch im Gegensatz zu Ratten aufgrund ihrer genetischen Ausstattung den Vorteil des sogenannten Gen-Targetings, der gezielten Veränderung bzw. Inhibition des Genoms, um die Rolle eines bestimmten Proteins identifizieren zu können. Daraus könnten sich neue pharmatherapeutische Ansätze in der Glaukomtherapie ergeben.
Die Erkenntnisse aus Studien an Glaukom-Modellen können zu einem besseren Verständnis des Pathomechanismus führen. Durch eine genauere Kenntnis der Auslöser des Ganglienzelltodes wird es in Zukunft hoffentlich möglich sein, neue, gezielte Therapiemöglichkeiten für die Glaukombehandlung zu entwickeln.
Neben dem Komplementsystem konnten zusätzlich Erkenntnisse über Glia-Zellen generiert werden. Die Glia-Zellen sind im zentralen Nervensystem (ZNS), und somit auch im Auge, für verschiedene Aufgaben verantwortlich. Die Mikroglia, als eine von drei Glia-Zelltypen, sind dem mononukleären-phagozytären System zugeordnet und dienen der Immunabwehr im ZNS. Interessanterweise konnten wir eine Erhöhung dieser Zellen in der Retina und dem Sehnerv nach Immunisierung nachweisen noch bevor es zum Absterben retinaler Ganglienzellen kommt (Noristani/Kuehn et al. 2016). Neben den Mikroglia sind auch Makroglia Zellen in der Retina zu finden. Wir konnten zeigen, dass auch diese nach einer Immunisierung reagieren und es zu einer Astrogliose kommt (Casola et al. 2015).
Um noch mehr Forschungsmöglichkeiten mit diesem Modell zu haben, wurde das bisher nur in Ratten etablierte Modell in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Zellmorphologie und molekularer Neurobiologie (Ruhr-Universität Bochum) nun auch in Mäuse transferiert. Mäuse bieten jedoch im Gegensatz zu Ratten aufgrund ihrer genetischen Ausstattung den Vorteil des sogenannten Gen-Targetings, der gezielten Veränderung bzw. Inhibition des Genoms, um die Rolle eines bestimmten Proteins identifizieren zu können. Daraus könnten sich neue pharmatherapeutische Ansätze in der Glaukomtherapie ergeben.
Die Erkenntnisse aus Studien an Glaukom-Modellen können zu einem besseren Verständnis des Pathomechanismus führen. Durch eine genauere Kenntnis der Auslöser des Ganglienzelltodes wird es in Zukunft hoffentlich möglich sein, neue, gezielte Therapiemöglichkeiten für die Glaukombehandlung zu entwickeln.
Veröffentlichungen:
Casola, C, Schiwek, JE, Reinehr, S, Kuehn, S, Grus, FH, Kramer, M, Dick, HB and Joachim, SC (2015). "S100 Alone Has the Same Destructive Effect on Retinal Ganglion Cells as in Combination with HSP 27 in an Autoimmune Glaucoma Model." J Mol Neurosci 56(1): 228-236.
C.J. Gassel, S. Reinehr, S.C. Gomes, H.B. Dick, S.C. Joachim (2020) “Preservation of optic nerve structure by complement inhibition in experimental glaucoma”. Cell Tissue Res. Jul 17.
S. Reinehr, V. Buschhorn, A.M. Mueller-Buehl, T. Goldmann, F.H. Grus, U. Wolfrum, H.B. Dick, S.C. Joachim (2020) “Occurrence of Retinal Ganglion Cell Loss via Autophagy and Apoptotic Pathways in an Autoimmune Glaucoma Model.” Curr Eye Res. Sep;45(9):1124-1135.
P. Grotegut, S. Kuehn, W. Meißner, H.B. Dick, S.C. Joachim (2020) “Intravitreal S100B Injection Triggers a Time-Dependent Microglia Response in a Pro-Inflammatory Manner in Retina and Optic Nerve”. Mol Neurobiol. Feb;57(2):1186-1202.
P. Grotegut, S. Kuehn, H.B. Dick, S.C. Joachim (2020) “Destructive Effect of Intravitreal Heat Shock Protein 27 Application on Retinal Ganglion Cells and Neurofilament.” Int J Mol Sci. Jan 15;21(2):549.
S. Reinehr S, S.C. Gomes, C.J. Gassel, M.A. Asaad, G. Stute, M. Schargus, H.B. Dick, S.C. Joachim. (2019) “Intravitreal Therapy Against the Complement Factor C5 Prevents Retinal Degeneration in an Experimental Autoimmune Glaucoma Model.” Front Pharmacol. Dec 2;10:1381.
S. Reinehr, J. Reinhard, S. Wiemann, K. Hesse, C. Voss, M. Gandej, H.B. Dick, A. Faissner*, S.C. Joachim* (2019) „Transfer of the experimental autoimmune glaucoma model from rats to mice – new options to study glaucoma.” International Journal of Molecular Science, May 24;20(10), * Autoren trugen gleichwertig zu dieser Arbeit bei
S. Reinehr, J. Reinhard, M. Gandej, I. Gottschalk, G. Stute, H.B. Dick, A. Faissner, S.C. Joachim (2018) „S100 immunization triggers NFκB and complement activation in an autoimmune glaucoma model.” Scientific Reports, Jun 29;8(1):9821
S. Reinehr*, S. Kuehn*, C. Casola, D. Koch, G. Stute, H.B. Dick, S.C. Joachim (2018) “HSP27 immunization reinforces AII amacrine cell and synapse damage induced by S100 in an autoimmune glaucoma model.” Cell and Tissue Research, Feb;371(2):237-249 * Autoren trugen gleichwertig zu dieser Arbeit bei
C. Casola, S. Reinehr, S. Kuehn, G. Stute, B.M. Spiess, H.B. Dick, S.C. Joachim (2016) “Specific inner retinal layer cell damage in an autoimmune glaucoma model is induced by GDNF with or without HSP27.” Investigative Ophthalmology & Visual Science, Jul 1, 57(8):3826-38
S. Reinehr, J. Reinhard, M. Gandej, S. Kuehn, R. Noristani, A. Faissner, H.B. Dick, S.C. Joachim (2016) “Simultaneous complement response via lectin pathway in retina and optic nerve in an experimental autoimmune glaucoma model.” Frontiers in Cellular Neuroscience, June 1;10:140.
S. Reinehr*, J. Reinhard*, S. Wiemann, G. Stute, S. Kuehn, J. Woestmann, H.B. Dick, A. Faissner#, S.C. Joachim# (2016) “Early remodelling of the extracellular matrix proteins tenasin-C and phosphacan in retina and optic nerve of an experimental autoimmune glaucoma model.” Journal of Cellular and Molecular Medicine, Jul 4 */# Autoren trugen gleichwertig zur Arbeit bei
R. Noristani, S. Kuehn, G. Stute, S. Reinehr, M. Stellbogen, H.B. Dick, S.C. Joachim (2016) “Retinal and optic nerve damage is associated with early glial response in an experimental autoimmune glaucoma model.” Journal of Molecular Neuroscience, Apr;58(4):470-82.
C. Casola, J.E. Schiwek, S. Reinehr, S. Kuehn, F.H. Grus, M. Kramer, H.B. Dick, S.C. Joachim (2015) “S100 alone has the same destructive effect on retinal ganglion cells as in combination with HSP27 in an autoimmune glaucoma model.” Journal of Molecular Neuroscience, May;56(1):228-36.
S.C. Joachim, S. Reinehr, S. Kuehn, P. Laspas, O.W. Gramlich, M. Kuehn, I. Tischoff, H.D. von Pein, H.B. Dick, F.H. Grus (2013) “Immune response against ocular tissues after immunization with optic nerve antigens in a model of autoimmune glaucoma.” Molecular Vision, Aug 6;19:1804-14.
PRIMÄRES OFFENWINKELGLAUKOMMODELL (betaB1-CTGF)
Der Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines Glaukoms ist ein erhöhter Augeninnendruck. Ein Tiermodell, dass es ermöglicht diesen Pathomechanismus näher auf den Grund zu gehen, ist das sogenannte βB1-CTGF-Hochdruck-Glaukommodell. CTGF (=Connective Tissue Growth Factor) ist ein Protein, das eine Reihe von wichtigen Prozessen beeinflusst, wie z.B. die Vermittlung von Zelladhäsion, -migration und -proliferation, sowie die Angiogenese. In den Mäusen des Modells wird CTGF vermehrt gebildet, wodurch es zu einer Verdichtung des trabekulären Maschenwerks und somit zu einer Behinderung des Kammerwasserabflusses kommt. Ein Vorteil dieses Modells ist, dass dieses ohne externe chirurgische Manipulation einen erhöhten Augeninnendruck erhöht. Dadurch kann ausgeschlossen werden, dass inflammatorische oder immunologische Veränderungen durch die invasiven Eingriffe ausgelöst wurden. Bereits im Alter von 4 Wochen zeigt sich ein signifikanter Verlust der Sehnervenfasern (Junglas et al. 2012). In unserer Arbeitsgruppe konnten wir des Weiteren zeigen, dass nach 15 Wochen auch der Augeninnendruck der Tiere erhöht und die Anzahl retinalen Ganglienzellen signifikant reduziert sind (Reinehr et al. 2019; Abb. 1 A-C). Dieses neue Modell scheint daher gut geeignet zu sein, um mögliche Mechanismen, die auch beim humanen Glaukom auftreten, besser analysieren zu können.
In weiteren Studien sollen nun verschiedene Zelltodmechanismen sowie Komponenten des Immunsystems und deren Zusammenhang mit dem Zellverlust in diesem Tiermodell untersucht werden.
Abbildung 1: Verlust retinaler Ganglienzellen
A) Nach 15 Wochen wurden retinale Flachpräparate mit Brn-3a, einem spezifischen Marker für retinale Ganglienzellen, angefärbt (grün), die Zellkerne wurden mit DAPI dargestellt (blau). In der CTGF Gruppe konnten weniger Signale beobachtet werden. B) Nach 15 Wochen zeigte eine signifikante Abnahme der retinalen Ganglienzellen in den CTGF Tieren (p=0,02). C) Auch die mRNA Expression des spezifischen Ganglienzellmarkers Pou4f1 war in den Netzhäuten der CTGF Tiere signifikant runterreguliert (p=0,2). Maßstab: 20 µm. *p<0,05. (Reinehr et al., 2019)