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Das Nordwestviertel von Gerasa (Jordanien).

Ansprechpartner: Prof. Dr. Achim Lichtenberger & Dr. Georg Kalaitzoglou

achim.lichtenberger@ruhr-uni-bochum.de

gkalait@aol.com

Vorberichte und Publikationen

Im Jahr 2011 begann unter der gemeinsamen Leitung von Prof. Dr. Achim Lichtenberger (RUB) und Prof. Dr. Rubina Raja (Universität Århus) das deutsch-dänische Gemeinschaftsprojekt „Das Nordwestviertel von Gerasa (Jordanien)“. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie von der H. P. Hjerl Hansen Mindefondet for Dansk Palæstinaforskning zunächst auf drei Jahre gefördert. Ziel des Projektes ist die Untersuchung der Siedlungsgeschichte des noch weitgehend unerforschten Nordwestquartiers der antiken Stadt Gerasa im Norden Jordaniens. Gerasa, das heutige Jerash, ist eine hellenistisch-römisch geprägte Stadt, die im 2. Jh. v. Chr. neugegründet wurde. Das Nordwestviertel ist dicht von Baustrukturen und Gebäudeterrassen durchzogen und erstreckt sich über den gesamten Hügel, der innerhalb der ummauerten Stadtfläche den höchsten Punkt markiert. Ein besonderes Forschungsinteresse gilt den frühen Siedlungsphasen und der Erschließung dieses Terrains als Teil der Siedlung. Begrenzt wird das Untersuchungsareal im Westen durch die antike Stadtmauer mit dem unmittelbar benachbarten Nordwestor und im Norden den Norddecumanus. Dessen exakter Verlauf unterhalb einer markanten Felskante ist allerdings noch nicht bekannt und ist deshalb eines der zukünftigen Untersuchungsziele. Im Süden markiert eine steile Geländestufe die Grenze des Untersuchungsgebietes und im Osten das monumentale Artemisheiligtum aus dem 2. Jh. n. Chr.
Vorausgegangene Forschungen auf dem Hügel beschränken sich auf die Ausgrabung der sogenannten Synagogenkirche durch Carl H. Kraeling, die um das Jahr 530/531 n. Chr. in eine Kirche umgewandelt wurde, sowie auf kleinflächige Sondagen britischer und amerikanischer Kollegen in den frühen 1980er Jahren, die aber keine nennenswerten Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte des Viertels erbrachten.

Abb. 01:

Abb. 02:



Kampagne 2011: Survey im Nordwestviertel von Gerasa

Mit einer dreiwöchigen Feldkampagne startete im September 2011 das deutsch-dänische Projekt „Das Nordwestviertel von Gerasa (Jordanien)“.
Beteiligt waren an der ersten Surveykampagne die Archäologen Dr. Georg Kalaitzoglou, Dr. Annette Højen Sørensen, Stefan Riedel MA, Ditte Maria Damsgaard Hiort BA, der Architekt Jens Christian Pinborg BA, die Geophysiker der Firma Eastern Atlas Dipl. min. Dana Pilz und Dipl. geophys. Rudolf Kniess. Das jordanischen Department of Antiquities vertrat Herr Akram Aiktoum.
Untersuchungsgegenstand der ersten Kampagne waren die archäologischen Strukturen im nordwestlichen Stadtareal des antiken Gerasa, das sich vom Artemisheiligtum im Südosten bis an die Stadtmauer im Nordwesten erstreckt. Dieser Stadtsurvey sollte die Grundlage für ein Langzeitprojekt in diesem Areal legen und setzte sich aus folgenden Komponenten zusammen:

1. Einem architektonischen Feldsurvey zur Erfassung und Dokumentation der architektonischen Reste.
2. Der terrestrischen Vermessung von Topographie und Architektur.
3. Der geophysikalische Prospektion des Areals mittels Geomagnetik und Georadar.

Mit den aufgeführten Methoden waren innerhalb einer 14-tägigen Feldforschungskampagne folgende Ziele zu erreichen: Zunächst eine eingehende Dokumentation des Areals, dessen dichte Bebauung bislang weder genauer erkundet, noch dokumentiert wurde. Ferner galt es, Informationen zu sammeln, die Aufschluss über die urbane Gestalt und Entwicklung des Viertels von hellenistischer bis in die frühislamische Zeit im Verhältnis zum übrigen Stadtgebiet geben können. Darüber hinaus sollten bereits potentielle Grabungsflächen für die nächsten Forschungskampagnen identifiziert und erkundet werden.

1. Der Survey

Den Stadtsurvey führten zwei Teams durch, die das in zwei Sektoren unterteilte Areal detailliert erkundeten. Gemäß der erteilten Genehmigung blieb die Untersuchung auf einen nicht-invasiven Architektursurvey beschränkt, weshalb auch die reichhaltig vorhandene Oberflächenkeramik weitgehend unberücksichtigt bleiben musste. Unterstützt wurden die beiden zweiköpfigen Teams von einem Architekten, der insgesamt 25 Bauglieder sowie ein römischen Relieffragment mit einem 3D-Photo-Modeler-System dokumentierte und zeichnete. Innerhalb des Arbeitsgebietes ließen sich etwa 350 Mauerzüge identifizieren, die detailliert dokumentiert wurden. Diese Strukturen fügen sich zu verschiedensten Komplexen unterschiedlicher Größe und Funktionen zusammen und zeigen, dass die gesamte Hügelfläche mit einem orthogonalen System aus Wegen und Stützterrassen überzogen ist, auf denen sich Gebäude unterschiedlicher Zeitstellung und Funktion erhoben.
In der Hauptsache scheinen die sichtbaren Baustrukturen allerdings den zeitlichen Rahmen von der späten Kaiserzeit, über die frühbyzantinische bis in die frühislamische Zeit abzudecken. Von den erfassten Bauten sind die im Folgenden kurz charakterisierten von besonderem Interesse und erfordern in den nächsten Jahren eine eingehendere Untersuchung.
Das Grabungsteam
Abb. 03: Das Grabungsteam.


2. Das ‚Ionische Gebäude‘

Dieser ausgedehnte Baukomplex nimmt den südlichen Gipfelrand des Hügels ein und vereint innerhalb seines rechteckigen Umrisses zahlreiche Räume. Nach Osten, in Richtung auf das Artemisheiligtum schließt sich auf einer Länge von über 50 Meter eine offenbar unbebaute langrechteckige Terrasse an. In das Gebäude integriert fand sich eine signifikante Anzahl von Spolien, zu denen auch ionische Kapitelle sowie andere Elemente ionischer Ordnung gehören, die für den sprechenden Namen des Gebäudes verantwortlich sind. Während die Spolien wahrscheinlich von Bauwerken aus der römischen Zeit stammen, sprechen Lage und Plan des Komplexes eher dafür, dass es sich um den Wohnsitz einer der bedeutenderen Familien frühbyzantinischer oder frühislamischer Zeit handeln könnte. Besonders augenfällig wird die herausgehobene Position des ‚Ionischen Gebäudes‘ im baulichen Zusammenhang mit drei benachbarten Hofhäusern offenbar ähnlicher Zeitstellung. Eine weitergehende Untersuchung dieser Komplexe verspricht daher auch interessante Erkenntnisse zur Sozialstruktur der Periode zwischen dem Ende der Spätantike und der frühislamischen Phase. Auf einen älteren Kultplatz in diesem Areal verweist der Fund eines mächtigen Altarmonolithen rechteckiger Form mit stilisierten Stierhörnern in einem benachbarten Raubloch. Das ‚Ionische Gebäude‘ und seine Umgebung sind folglich potentielle Kandidaten für ausgewählte Sondagen mit denen die Bau- und Nutzungsgeschichte über einen längeren Zeitraum hinweg geklärt werden soll.

Abb. 04:

Abb. 05:


3. Die ‚Südstraße‘ und die angrenzenden Komplexe

Im südlichen Teil des Surveyareals fand sich eine Straße, die Nordwest-Südost-orientiert geradlinig von der Stadtmauer bis zu einer großen Zisterne verläuft. Beiderseits der Straße erstrecken sich verschiedene Baukomplexe, zu denen auch solche gehören, die offenbar zu Produktionszwecken dienten, aber auch eine Anlage mit einer kleinen Zisterne sowie einige Hofanlagen. Dieses ‚Viertel‘ erstreckt sich über mehrere der Terrassen mit denen der Südhang des Hügels überzogen ist. Zwischen den genannten Baukomplexen ließen sich einige Nebenstraßen identifizieren, die von der ‚Südstraße‘ abzweigen und hangaufwärts führen. Obwohl die sichtbaren Strukturen in der Hauptsache aus frühbyzantinischer bis frühislamischer Zeit zu stammen scheinen, fügt sich das architektonische Grundkonzept des Areals nahtlos in das orthogonale Straßenraster der römischen Stadt ein. Zur Klärung der Entwicklungsgeschichte und des Nutzungswandels in diesem Bezirk sind in den nächsten Jahren weitergehende Untersuchungen erforderlich.
Abb. 06:


4. Die große Zisterne

Am Südostrand des Untersuchungsgebietes befindet sich eine große und nahezu rechteckige Felszisterne (ca. 41 x 17 m), unter deren südöstlichen Teil sich eine natürliche Karsthöhle von etwa 20 m Länge erstreckt. Zwei sehr schmale offene Gerinne in ihrer Nordostecke sind die einzigen erkennbaren Zuflüsse. Neben der Datierung der Zisterne wird es auch Aufgabe der nächsten Forschungskampagnen sein, das System der Wassernutzung sowie die Rolle der Karsthöhle für die Anlage, Nutzung und Aufgabe der Zisterne zu klären.
Da die Forschungen zur Wasserversorgung des antiken Gerasa noch am Anfang stehen, kommt der Untersuchung der großen Zisterne besonderes Gewicht zu. Eine gezielte Sondage im Inneren der Zisterne verspricht nicht allein Erkenntnisse zu ihrer Funktionsweise, sondern auch entscheidende Anhaltspunkte auf die Wasserversorgung und -verteilung innerhalb des Nordwestquartiers von Gerasa.

5. Die nördlichen Wohnkomplexe und die Höhlen

Die Nordflanke des Hügels begrenzt eine stellenweise steil abfallende Felskante. An verschiedenen Stellen zeigen sich am Felsabbruch vertikale Abarbeitungen sowie horizontale Felsbettungen. In einigen Fällen lassen sich diese geglätteten Felsfassaden mit Gebäuden verbinden, von denen einige mit Höhlen unterschiedlicher Größe in Beziehung stehen. An zwei Stellen befinden sich schmale in den Fels geschnittene Treppenläufe, die einen Zugang aus dem tiefer liegenden Terrain auf den Hügel ermöglichen. Zwischen der Felskante und dem ‚Ionischen Gebäude‘ befinden sich zwei bemerkenswerte Gebäude, die deutliche Spuren einer mehrphasigen Wohnbebauung erkennen lassen. Insbesondere dieses Gebiet auf dem Hügelgipfel nahe der nördlichen Felskante lässt Erkenntnisse zur frühen Geschichte des Stadtquartiers erwarten.

6. Die topographische Aufnahme

Innerhalb der 14-tägigen Vermessungskampagne galt es zunächst neue Vermessungsstandpunkte im System des französischen Jerash Archaeological Project abzusetzen. Das französische Netz ist eine Präzisierung des amtlich-jordanischen Vermessungsnetzes und dient erfreulicherweise als einheitliche Vermessungsgrundlage für das gesamte antike Stadtgebiet von Gerasa (Jerash). Mit dem Ziel einer detaillierten Kartierung des Nordwestviertels von Gerasa wurde mit einer Totalstation Sokkisha Set5 eine Gesamtfläche von rund 3,8 ha vermessen. In enger Absprache mit den Surveyteams gelang es mit ca. 2500 Messpunkten sämtliche topographische Details sowie alle sichtbaren Baureste aufzunehmen. In Kombination mit den Ergebnissen des Survey entsteht auf diese Weise erstmals ein detaillierter und zuverlässiger Plan dieses Stadtviertels. Der sich noch in Arbeit befindliche Plan wird einerseits die Grundlage zur Interpretation der geophysikalischen Prospektionsergebnisse bilden und dient andererseits zur Planung der Grabungskampagnen in den nächsten Jahren.

7. Die geophysikalische Prospektion

Im Zeitraum vom 14.09 bis zum 18.09 wurde das gesamte Arbeitsgebiet geophysikalisch prospektiert. Dabei kam für die großflächige geomagnetische Prospektion ein 6-Kanalmessystem zum Einsatz, dessen Positionierung sich auf DGPS stützte. Aufgrund der stellenweise noch recht hoch anstehenden Baureste und der steilen Hügelflanken musste das Messsystem unter großem körperlichen Einsatz von zwei Personen getragen werden. Nach der Erstinterpretation der Magnetogramme lassen sich die Anomalien insbesondere auf die Faktoren Topographie, Geologie und archäologische Strukturen zurückführen. Zu Letzteren gehören insbesondere auch die bereits obertägig sichtbaren Baureste. Ein klareres Bild auch der nicht sichtbaren Strukturen wird sich erst nach eingehender Analyse und im Vergleich mit den Ergebnissen der topographischen Vermessung ergeben.
Auf ausgewählten Flächen mit fehlender oder nur geringer Bebauung kam ein Georadar des Typs GSSI SIR 3000 mit einer 270 MHz-Antenne zum Einsatz, um die Einsatzmöglichkeiten dieser Methode unter den lokalen Gelände- und Bodenbedingungen zu testen. Wie erwartet, erwies es sich als schwierig, zwischen gesetzten Kalksteinstrukturen und Kalksteinschutt bzw. -sediment zu unterscheiden, weshalb die Eindringtiefe begrenzt blieb. Es steht zu erwarten, dass sich nach Abschluss der Datenaufbereitung zumindest oberflächennahe Strukturen deutlicher abzeichnen werden.

Abb. 07:

Abb. 08:


8. Resümee und Ausblick

Der nur zweiwöchige Survey liefert bereits jetzt neue und durchaus bedeutende Erkenntnisse, die nicht nur eine fortgesetzte Analyse erforderlich machen, sondern besonders die Notwendigkeit weiterer Forschungen unterstreichen. An erster Stelle steht in den kommenden Monaten die Ausarbeitung eines detaillierten topographischen Plans des Gebietes, auf dessen Grundlage die Ausgrabungen der nächsten Jahre geplant werden. Besonders die Kombination aus Architektursurvey, terrestrischer Vermessung und geophysikalischer Prospektion hat sich als vortrefflich geeignet erwiesen, einen Fundplatz non-invasiv zu untersuchen, da sie eine Fülle von Informationen liefert noch bevor erste Ausgrabungen stattgefunden haben. Schon in diesem frühen Stadium der Auswertung lassen sich vielversprechende Baustrukturen benennen, deren Ausgrabung eine Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte des Nordwestviertels von Gerasa erlauben sollte. Zugleich wird die Notwendigkeit deutlich, die wissenschaftlichen Fragestellungen nicht nur zu präzisieren, sondern auch auf weitere Forschungsfelder auszudehnen wie beispielsweisen die Wasserversorgung der antiken Stadt oder ihre Transformation am Ende der klassischen Antike.

Vorberichte
A. Lichtenberger – R. Raja, Preliminary Report of the First Season of the Danish-German Jerash Northwest Quarter Project 2011, ADAJ 56 (im Druck).
G. Kalaitzoglou – R. Knieß – A. Lichtenberger – D. Pilz – R. Raja, Report on the Geophysical
Prospection of the Northwest Quarter of Gerasa/Jerash 2011, ADAJ 56 (im Druck).

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Kampagne 2012: Ausgrabungen im Nordwestviertel von Gerasa

Das Projekt wurde vom 1. August bis zum 11. September mit einer 6-wöchigen Ausgrabungskampagne fortgesetzt. Beteiligt waren an dieser ersten Ausgrabungskampagne die Archäologen Prof. Dr. Achim Lichtenberger und Prof. Dr. Rubina Raja, Dr. habil. Georg Kalaitzoglou, Dr. Annette Højen Sørensen, Dorothea Csitneki, Eicke Granser, Ditte Maria Damsgaard Hiort, Christoffer Pelle Hagelquist, Signe Børsen Koch, Signe Krag, Signe Bruun Kristensen, Cathrin Pogoda, Anne Riedel und Stefan Riedel sowie die Restauratorin Helle Strehle, der Architekt Jens Christian Pinborg und der Fotograf Michael Benecke. Das jordanische Department of Antiquities vertrat vor Ort Dr. Mohamed Abu Abileh. Der siedlungsgeschichtlichen Fragestellung des Projektes entsprechend wurden drei Grabungsflächen geöffnet, um insbesondere den Fragen nachzugehen, ab wann diese am höchsten gelegene Areal besiedelt war und welche Rolle es in der Entwicklung der Stadt spielte. Neben der Ausgrabungstätigkeit fanden geringfügige Ergänzungen des im Vorjahr aufgenommenen topographischen Planes statt und es wurde mit der Vermessung der Außenfront der antiken Stadtmauer entlang des Untersuchungsgebietes begonnen.


Abb. 09: Das Grabungsteam.

Abb. 10: Plan der Besiedlung.


Schnitt A

Für Grabungsschnitt A wurde auf dem höchsten Punkt des Stadtgebietes eine Fläche im Zentrum eines modernen Fußballfeldes ausgewählt, auf der die geomagnetische Prospektion des Vorjahres eine winkelförmige Anomalie auswies. Die Deckschicht des 5m auf 6m messenden Schnittes A bestand zwar aus antikem, doch ortsfremden Material unterschiedlicher Dicke, das zum Bau eines Fußballfeldes auf dem Gipfelplateau des Hügels einplaniert wurde. Der relativ oberflächennah anstehende Kalkfels zeigte neben deutlichen Spuren natürlicher Verwitterung auch Spuren geringer Steinbruchtätigkeit. Am steil abfallenden Ostrand der Felsplatte fand sich die Südwestecke eines in den Fels eingetieften Raumes mit verputzten Wänden, dessen Funktion allerdings ungeklärt bleibt. In ca. 3.60m Tiefe wurde sein Mörtelfußboden erreicht, womit seine mit einem dünnen Mörtel verputzten Wände eine lichte Höhe von ca. 2.54 m besaßen. Stark beschädigte Balkennester an der Felsoberkante und ein Mörtelband im Südostprofil markieren die Höhe des ehemaligen Daches. Der freigelegte Teil des Raumes zeigt, dass er bereits ›antik‹ vollständig mit Erde und im unteren Bereich auch mit großen Steinen verfüllt wurde. In etwa 1.50 m Höhe über dem Mörtelboden fanden sich zwei vollständig erhaltene Kochtöpfe, die mit Asche gefüllt und von Steinen umgeben waren. Auf einem etwas höheren Niveau fanden sich die weniger gut erhaltenen Reste zweier weiterer, gleichartiger Kochtöpfe. Obwohl es sich um eine bewusste Deponierung der zweihenkeligen Kochtöpfe in der Verfüllung des Raumes handelt, ist eine Deutung als Bestattungsurnen oder als Reste von Mahlzeiten auszuschließen. Die homogene Erdfüllung und die Gleichartigkeit der Kochtöpfe sprechen allerdings dafür, dass die Deponierung relativ rasch im Zuge der Verfüllung des Raumes erfolgte. Hinweise auf das Nutzungsende des Felsenraumes geben einige gut erhaltene Gefäße, die auf seinem Fußboden angetroffen wurden. Nach bisheriger Analyse datieren diese in die frühbyzantinische Zeit.
Als wahrscheinlicher Ursprung der geomagnetischen Anomalie kommt nur die L-förmige Kontaktzone die zwischen dem abfallenden Fels und der einplanierten Füllung in Frage, die offenbar einen starken magnetischen Kontrast bilden.
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Schnitt B

Schnitt B wurde an einer markanten Terrassenmauer angelegt vor der bereits illegale Grabungen stattgefunden hatten. In dem Raubtrichter fand sich bereits im Vorjahr ein zunächst als Altar gedeuteter großer Kalksteinblock mit reliefiertem Oberteil. Bei diesem Block handelt es sich um das Eckelement einer Großarchitektur mit altarähnlicher Bekrönung an der rechten Seite und einer überwölbten Pilasternische an der Front (Abb. 12c). Auch das abgebrochene Kopfteil des Blockes fand sich im Schuttwall des Raubtrichters. Dieser sowie ein zweiter, weniger hoher Block bildeten in Zweitverwendung die Führungspfeiler einer Hebelpresse für Olivenöl, die am Boden des Raubloches aufgefunden wurde.
Zur Installation der Ölpresse wurde eigens ein Raum vor einer älteren Terrassenmauer errichtet, die noch ca. 2,60 m hoch erhalten ist. Der Pressenraum wird im Süden und Osten von Mauern begrenzt, in die ein ebenfalls älterer gemauerter Pfeiler integriert wurde, der wahrscheinlich Teil einer der älteren Terrasse östlich vorgelagerten Halle war.
Die Pressenanlage besteht aus einem ovalen Pressbett, den beiden flankierenden Pfeilern, zwei T-förmig durchbohrten und in den Boden eingelassenen Hebelgewichten sowie einer weiten Öffnung in der südlichen Mauer, die zur Aufnahme und Verankerung des Pressbalkens diente. Das Pressbett umschließt ein überwiegend aus Mörtel gefertigter Kanal, der das ausgepresste Öl aufnahm und in ein ebenfalls in den Boden eingelassenes fassförmiges Ölreservoir leitete.
Sowohl der Pressenraum, als auch der südlich benachbarte Raum und offenbar auch der gesamte östlich vorgelagerte Bereich waren mit antikem Schutt verfüllt. Dieser Schutt enthielt auch Bau- und Mauerschutt und war partiell stark mit Asche durchsetzt. Besonders bemerkenswert sind jedoch die großen Mengen überwiegend gut erhaltener Gefäßscherben. Aus der Verfüllung wurden über 100.000 Gefäßscherben geborgen, die neben frühbyzantinischen Gattungen, wie zum Beispiel ansehnliche Fragmente sogenannter Jerash Bowls, offenbar auch große Mengen frühislamischer Keramik umfassen sowie einige Münzen dieser Zeitstellung. Letztere sprechen dafür, dass die Deponierung des Schutts erst in frühislamischer Zeit erfolgte.
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Schnitt C

Auch für Schnitt C wurde ein Raubtrichter am Südrand des sogenannten Ionic Building ausgesucht, der raschen Aufschluss über die Baugeschichte des Gebäudes versprach (Abb. 7a). Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein mehrphasiges Hofhaus islamischer Zeit, in dem ionische Kapitelle und weitere antike sowie frühbyzantinische Bauteile als Basen für Holzpfosten Verwendung fanden. Im Zuge der Freilegung der 6.50 x 6.50 m messenden Fläche fanden sich unter der Westecke des Hofhauses Spuren älterer Baustrukturen, die auf dem anstehenden Fels errichtet worden waren. Wie in Schnitt A trägt auch der Fels in Schnitt B Steinbruchspuren als älteste Belege anthropogener Eingriffe. Über diesen Spuren fand sich ein rechteckiger Raum (wahrscheinlich als Teil eines Hauses), der nach dem Fund einer Münze aus seinem Versturz in frühislamischer Zeit aufgegeben wurde. Die Ostecke dieses Raumes musste dem Bau einer halbkreisförmigen Zisterne mit einem Durchmesser von ca. 4,20 m weichen, die in eine weitgehend verfüllte natürliche Karsthöhle eingebaut wurde. Kanäle auf unterschiedlichen Niveaus, die zu aufeinander folgenden Nutzungsphasen gehören, speisten die Zisterne aus westlicher und nördlicher Richtung. Die Freilegung der mit großen Steinblöcken verfüllten Zisterne musste aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden, weshalb die Sohle bei einer Tiefe von 2.64 m noch nicht erreicht war. Der mehrfache Kollaps der schwachen nördlichen Höhlendecke führte offenbar zur endgültigen Aufgabe der Zisterne. Die Funde aus ihrer Verfüllung plädieren dafür, dass die Zisterne endgültig in ajjubidisch-mamlukischer Zeit verfüllt und zur Errichtung des südlichen Teils des großen Hofhauses das Areal über allen älteren Baustrukturen aufgefüllt wurde.
Als älteste Hinweise auf eine Nutzung des Hügels erweisen sich in den Grabungsschnitten des Jahres 2012 die Steinbruchspuren in den Schnitten A und C, denen entsprechende Spuren an der nördlichen Felskante der großen Felszisterne im Südhang des Hügels an die Seite zu stellen sind. Diese Spuren einer eher extensiven Steinbruchtätigkeit lassen sich bislang nicht genauer datieren als spätestens in die frühbyzantinische Zeit. Obwohl die reichen Baureste und das den gesamten Hügel überspannende Terrassensystem einen anderen Eindruck vermitteln, scheint nach den vorläufigen Ergebnissen drei Grabungsschnitte das gipfelnahe Hügelareal des Nordwestviertels in vorbyzantinischer Zeit möglicherweise eine eher lockere Bebauung getragen zu haben. Für die frühbyzantinische, doch besonders für die frühislamische Zeit zeichnet sich bereits jetzt eine dichte mehrphasige Bebauung mit unterschiedlichster Nutzung ab, die neben einer Produktionsstätte für landwirtschaftliche Güter auch aufwändige Maßnahmen zur Bevorratung von Wasser umfasst.
Im folgenden Jahr ist eine Verdichtung des Sondagennetzes durch fünf weitere Schnitte geplant. Diese dienen der Klärung des Verlaufs des Norddecumanus, der Datierung der großen Felszisterne sowie der weiteren Aufhellung der Baugeschichte des Terrassensystems.

Vorberichte
A. Lichtenberger – R. Raja – A. Højen Sørensen, Preliminary Registration Report of the Second Season of the Danish-German Jerash Northwest Quarter Project 2012, ADAJ 2014 (in Vorb.).
G. Kalaitzoglou – A. Lichtenberger – R. Raja, Preliminary Report of the Second Season of the Danish-German Jerash Northwest Quarter Project 2012, ADAJ 57 (im Druck).
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KAMPAGNE 2013: AUSGRABUNGEN IM NORDWESTVIERTEL VON GERASA

Mit einer 6-wöchigen Kampagne wurden die Ausgrabungen vom 21. Juli bis zum 30. August mit einem vergrößerten Team fortgesetzt. Beteiligt an dieser zweiten Ausgrabungskampagne waren die beiden Projektleiter Prof. Dr. Achim Lichtenberger und Prof. Dr. Rubina Raja. Die Leitung im Felde hatte Dr. habil. Georg Kalaitzoglou und die Fundbearbeitung leitete Dr. Annette Højen Sørensen. Zum Team von JungarchäologInnen und Studierenden gehörten Dorothea Csitneki (BA), Philip Ebeling (BA), Eicke Granser (BA), Anne Ditte Høj (BA), Hans-Peter Klossek (Student), Signe Krag (MA), Signe Bruun Kristensen (BA), Nadia Schmidt Larsen (Studentin), Anders Meander (BA), Anders Olesen (BA), Cathrin Pogoda (MA), Anne Riedel (MA), Stefan Riedel (MA). Wie im Vorjahr nahmen die Restauratorin Helle Strehle, der Architekt Jens Christian Pinborg und der Fotograf Michael Benecke teil. Dr. Holger Schwarzer (Universität Münster) konnte für die Bearbeitung der Glasfunde gewonnen werden und Dr. Alf Hilding Lindroos (Åbo Universität, Finland) übernahm die Beprobung und Datierung von Mörtelfunden mittels AMS (Beschleuniger-Massenspektrometrie). Das jordanische Department of Antiquities vertraten Dr. Mohammed Abu Abileh und Adnan Mujalli.

Gerasa24
Abb. 24: Das Grabungsteam 2013.


Entsprechend der bereits am Ende der Vorjahreskampagne entwickelten Fragestellung wurden in diesem Jahr fünf weitere Grabungsflächen (D–H) geöffnet und teilweise erweitert (s. Abb. 25). Sie sollten zur Beantwortung der Frage beitragen, ab wann dieses am höchsten gelegene Stadtareal besiedelt war und welche Rolle es in der Entwicklung der Stadt spielte.
Auch im Jahr 2013 dominierten in den Grabungsflächen Befunde der islamischen Epochen. Es bestätigte sich ebenfalls, dass die älteste anthropogene Struktur auf der Hügelkuppe ein Steinbruch ist, der offenbar die gesamte Felsoberfläche überzieht. Interessante Einblicke in die letzte Besiedlungsphase des Nordwestquartiers ergaben sich in den Schnitten D und E. Diese Schnitte lieferten stratifizierte Befunde zu einem spätayyubidisch–mamelukischen Weiler, der bereits im Oberflächenbefund auszumachen war (s. Plan Abb. 25, schwarz ausgelegte Strukturen). Innerhalb des antiken Stadtgebietes von Gerasa haben mittelislamisch-mittelalterliche Befunde bereits als Seltenheit zu gelten, doch in der vorliegenden Vollständigkeit sind die Baubefunde im Nordwestviertel bislang singulär. Auch die in diesem Jahr intensiv durchgeführte Suche nach der westlichen Fortsetzung des römischen Norddecumanus erbrachte zwar negative, doch deswegen nicht weniger wertvolle Ergebnisse, weil sie unmittelbare Auswirkungen auf die Rekonstruktion des nordwestlichen Teils des römischen Stadtbildes haben wird. Im Zuge dieser Untersuchungen fand auch eine Vermessung der noch sichtbaren Reste eines Ausgrabungsschnittes, den ein britisches Team bereits im Jahr 1982 auf dem vermuteten Westverlauf des Norddecumanus angelegt hatte (zur Lage s. Abb. 25).
Im Hinblick auf die geplanten Arbeiten der nächsten Jahre wurde 2013 auch das Festpunktnetz kontrolliert und erweitert. Erstmals kam in diesem Jahr zur Aufnahme von Plana und Profilen die Software © PhotoScan der Firma AgiSoft ergänzend zum Einsatz. Obwohl der Einsatz dieser photogrammetrische Methode als erfolgreich gelten kann (Abb. 26), sind deren Feldtauglichkeit und Zeiteffizienz weiter zu erproben.

Gerasa25klein
Lupe
Abb. 25 Plan des Nordwestviertels von Gerasa, Stand 2013.
Abb. 25 Plan des Nordwestviertels von Gerasa, Stand 2013.


Schnitt D

Dieser Schnitt diente der weiteren Klärung der Baugeschichte des ayyubidisch-mamelukischen Hofhauses (sog. ›ionic building‹), das sich, wie die Ausgrabung der südwestlichen Gebäudeecke im Vorjahr zeigte, über einer älteren frühislamischen Bebauung erhob (Abb. 25). Dies bestätigte sich auch in Schnitt D, der über der Nordostecke des Gebäudes angelegt wurde (Abb. 27). Die älteren Baustrukturen stammen nach Ausweis der Funde wahrscheinlich aus spätfrühbyzantinisch-frühumayyadischer Zeit (7. Jh. n. Chr.) und reihen sich entlang einer etwa 70 m langen in ost-westlicher Richtung verlaufenden Mauer, deren östliche Fortsetzung in Schnitt E angetroffen wurde. Zur älteren Bebauung gehören zwei nicht mit einander verbundene Räume, die in die Bruchwände eines älteren Steinbruchs eingebaut worden waren. Im nördlichen Raum blieb der originäre Versturz der älteren Siedlungsphase erhalten und versiegelte die ungestörten Befunde, zu denen ein Ofen (ein sog. Tabun-Ofen) sowie ein in den Mörtelfußboden eingelassenes Wasserbecken gehören, die dafür sprechen, dass dieser Raum offenbar als Küche diente (Abb. 28). Eine Zugangstür und ein Fenster fanden sich in der Nordmauer des Raumes. Demgegenüber war der südliche Raum in ayyubidisch-mamelukischer Zeit (ca. spätes 11. bis frühes 16. Jh.) bis zur Oberfläche des Steinbruches freigelegt und anschließend wieder verfüllt worden. Im Zuge dieser Maßnahmen waren der ältere Mörtelfußboden durchgraben und alle Hinterlassenschaften der älteren Siedlungsphase entfernt worden. Dieser Befund weist enge Parallelen zu demjenigen des Vorjahres in der Felszisterne (Schnitt C) auf. Auf einem deutlich über dem älteren Fußboden liegenden Niveau hat sich über einem einfachen Lehmboden der ungestörte Versturz des mittelalterlichen Gebäudes erhalten (Abb. 29). Neben Resten eines mehrfarbigen Wandverputzes fand sich in diesem Versturz auch ein als Mauerstein verwendeter Torso einer marmornen Artemisstatue des Typs Rospigliosi (Abb. 30).

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Schnitt E

Dieser Schnitt wurde über der Südwestecke eines Doppelhauses angelegt, das ebenfalls aus ayyubidisch-mamelukischer Zeit stammt (s. Abb. 25). Bereits im nicht ausgegrabenen Zustand war eine ältere ost-westlich verlaufende Mauer erkennbar. Im Mittelalter bildete sie die nördliche Begrenzung eines etwa 50 m langen Hofes bzw. Platzes, der sich östlich des sog. ›ionic building‹ erstreckt. Schnitt E diente somit der Klärung des Verhältnisses zwischen den benachbarten mittelalterlichen Gebäuden sowie zur Bestimmung des Alters der tiefer liegenden Hauptmauerzüge, die Teil des älteren Terrassensystems sind (Abb. 31). Des Weiteren galt es, Hinweise zur Interpretation eines der etwa fünf Meter breiten und von Norden nach Süden verlaufenden Streifen zu finden, die 2011 in der geomagnetischen Prospektion als markante Anomalien in Erscheinung traten.
Wie in Schnitt D nutzten auch in Schnitt E die ältesten Bauten die Bruchwände und Werkplätze des älteren Steinbruchs als Fundament (Abb. 32). In der Südostecke des Schnittes fand sich die Nordwestecke eines weitgehend ungestörten Raums mit verputzen Wänden, der sich südlich an die bereits in Schnitt D gefasste Mauer anlehnt. Im Bereich des langen Hofes waren seine Mauern bis zum Hofniveau niedergelegt und Teile des Raumes waren mit Erde und Keramik aufgefüllt, die der im Vorjahr in Schnitt B angetroffenen Füllung stark ähnelt. Nördlich der Mauer schlossen sich offenbar weitere Räume an, deren Mauern im Inneren des mamelukenzeitlichen Hauses aber überbaut und außerhalb ebenfalls niedergelegt worden waren. Die Südwestecke des mittelalterlichen Doppelhauses nutzte die Nordmauer dieses älteren Raumes sowie eine nach Norden verlaufende Mauer.
Eine Tonrohrwasserleitung, die am Nord- sowie am Südende des Schnittes gefasst werden konnte, gestattet erstmals einen Einblick in die Wasserversorgung der frühen Phasen des Nordwestviertels (Abb. 33). Die Leitung war auf einer dünnen Füllschicht unmittelbar über dem Steinbuch verlegt worden. Da bereits die lange ost-westlich verlaufende Mauer die Rohrleitung überbaute, aber dennoch Rücksicht auf deren Verlauf nahm, ist sie offenbar älter als die frühislamische Wohnbebauung. Ein weiteres Teilstück offenbar desselben Leitungssystems fand sich in Schnitt H am Nordrand des Hügelplateaus

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Schnitt F

Die große Felszisterne am Südhang des Nordwestviertels bildet den größten bekannten Wasserspeicher innerhalb des Stadtgebietes von Gerasa. Zur Untersuchung seiner Konstruktionsweise und Geschichte diente ein etwa 17 m langer und 1,5 m breiter Graben (Sektoren a–h), der quer durch die Füllung des rechteckigen Zisternenbeckens angelegt wurde. Mit einer weiteren Grabungsfläche (Sektor i) galt es den Bereich über einer kleineren Höhlenzisterne zu untersuchen, die bereits im Jahr 2012 unter der Südostecke der großen Zisterne entdeckt wurde (Abb. 34). Entgegen der ursprünglichen Annahme fand sich im Inneren der großen Zisterne kein Sedimentabsetzbecken. Der überwiegend unbearbeitete Fels des Beckens trägt einen dicken Verputz aus Kalkmörtel und Reparaturen dieser Mörtelauskleidung sprechen für einen relativ langen Nutzungszeitraum. Die bereits vorliegenden Ergebnisse der Datierung verschiedener Mörtelproben mittels AMS durch Alf Lindroos bestätigen, dass die Zisterne bereits in römischer Zeit (Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr.) entstand und ihr Verputz noch bis mindestens in das 4. oder frühe 5. Jh. n. Chr. ausgebessert wurde. Nach dieser mehrhundertjährigen Primärnutzung erfolgte eine Bebauung des nun funktionslosen Zisternenbeckens. Auf einem ca. 0,6 m hohen Podium entstanden einfache Gebäude (Abb. 35) und am Ostrand der Zisterne wurde ein Brunnen angelegt, der die zur Zisterne umgewandelte Höhle unter der großen Zisterne erschloss (Abb. 37.38). Die Strukturen dieser Nachnutzungsphase wurden später bewusst verfüllt. Diese Maßnahme ist offenbar mit einer drei Meter hohen, doch nur 0,55 m starken Mauer zu verbinden (Abb. 36), die vor dem Nordrand der Zisterne errichtet wurde und keine Spuren einer Abdichtung mit Mörtel erkennen lässt. Die jüngste Struktur scheint eine halbrund gegen die Zisternenfüllung errichtete Brunneneinfassung zu sein, die eine fortgesetzte Nutzung der Höhlenzisterne bezeugt. Gefüllt wurde die Zisterne in dieser Phase durch einen senkrecht geführten Kanal, der das Wasser von der östlichen Felskante in das Brunnenloch leitete.

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Schnitt G

Der Suche nach dem römischen Norddecumanus war Schnitt G gewidmet. Der weit verbreiteten Ansicht entsprechend, sollte der Norddecumanus das Norwesttor mit dem nördlichen Tetrapylon am Cardo Maximus verbinden und auch in der geomagnetischen Prospektion des Jahres 2011 schien es Hinweise auf dessen Verlauf zu geben. Wirklich gesichert ist der Verlauf dieser gepflasterten Hauptstraße nur auf einer Strecke von etwa 120 m zwischen dem Tetrapylon und dem sog. Nordtheater. Das von diesem Punkt aus in westlicher Richtung deutlich (ca. 40 m bis zur Stadtmauer) ansteigende Gelände, ließ eine rampenartige oder getreppte Wegführung erwarten. Eine bereits 1982 in Verlängerung des Norddecumanus angelegte Sondage, lieferte allerdings nur mehrdeutige Ergebnisse zum Straßenverlauf. Auch diese Altgrabung wurden in diesem Jahr erstmals eingemessen und in den Gesamtplan des Nordwestquartiers übertragen (s. Abb. 25). Auf der vermuteten und topographisch einzig möglichen Trasse wurde Schnitt G angelegt (Abb. 39). Relativ dicht unter der Oberfläche fand sich eine einschalige Stützmauer, deren Oberfläche deutliche Pflugspuren aufweist. Ein gutes Stück unterhalb der Mauer ließ sich ein ungepflasterter Erdweg ausmachen, der seinerseits offenbar erst in spät- oder nachmamelukischer Zeit angelegt worden war (Abb. 40.41). Bis hinab zum gewachsenen Boden fanden sich zwar Erosions- und Füllschichten mit römischen bis frühislamischen Funden sowie organischen Resten doch weder Spuren einer Wohnbebauung noch eines antiken Weges oder Wegfundamentes. Weitere bauliche Strukturen wurden allein in der Süderweiterung (Sektor f) angetroffen in Form einer sehr bescheidenen Terrassenmauer (Abb. 42) unter dem Wegeniveau und etwa 0,5 m unterhalb der oberen Stützmauer. Der Verlauf der ursprünglichen Geländeoberfläche bezeugt, dass sich die Topographie des Areals deutlich verändert hat und das Terrain am Nordfuß der Felskante entgegen der heutigen Hangneigung nach Süden abfiel. Das Fehlen jeglicher Bebauung und die sich in bedeutendem Umfang veränderte Geländesituation haben entscheidende Konsequenzen für den Verlauf des Norddecumanus und das vermutete Nordwesttor. Die geologische Situation und der archäologische Befund legen nahe, dass der Norddecumanus niemals bis in dieses Areal reichte, womit auch ein römisches Nordwesttor verzichtbar wird. Die heute sichtbare Stadtmauer scheint somit aus einer späteren Ausbauphase des Stadtareals zu stammen.

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Schnitt H

Zur Untersuchung der nördlichen Hangkante und ihrer offenbar mehrphasigen Stützmauern diente Schnitt H (Abb. 43). Im oberen Bereich fand sich eine Mörteloberfläche auf der eine Tonrohrwasserleitung derselben Art verlegt ist, wie sie in Schnitt E angetroffen wurde. Unmittelbar neben der Rohrleitung verläuft ein älterer gedeckter Kanal mit rechteckigem Querschnitt. Diesen Kanal hatte man entlang der Hangkante zwischen eine ältere Stützmauer und eine jüngere Spolienmauer angelegt (Abb. 44). Da beide Wasserleitungen aus Richtung der Stadtmauer im Westen kommen, passierten sie entweder einen Durchlass in der Mauer (z. B. ein Tor), oder die Wasserleitungen sind älter als der sichtbare Teil der benachbarten Stadtmauer. Nördlich der Wasserleitungen fällt der Fels ca. 6,5 m nahezu lotrecht ab, dessen unterer Teil durch eine einschalige Mauer verkleidet ist (Abb. 45). Am Fuß des Felsens haben sich auf gesamter Höhe Erosionsschichten akkumuliert, die eine umgekehrte Stratigraphie aufweisen und neben jüngeren auch zahlreiche Funde aus hellenistischer und römischer Zeit enthalten. Wenngleich umgelagert, bezeugen die Funde zumindest eine Nutzung der Hügelkuppe auch in diesen frühen Phasen.

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KAMPAGNE 2014: AUSGRABUNGEN IM NORDWESTVIERTEL VON GERASA

Mit einer weiteren 6-wöchigen Kampagne vom 21. Juli bis zum 31. August fand das dänisch-deutsche Ausgrabungsprojekt mit einem deutlich erweiterten Team seine Fortsetzung (Abb. 46).
Beteiligt waren an dieser dritten Ausgrabung die beiden Projektleiter Prof. Dr. Achim Lichtenberger (Bochum) und Prof. Dr. Rubina Raja (Århus) sowie PD Dr. Georg Kalaitzoglou als Leitung im Felde und Dr. Annette Højen Sørensen als Leiterin der Fundbearbeitung. Zum Team der Jungwissenschaftler und Studierenden gehörten Anders Meander Bjerggaard, Philip Ebeling, Till Flüchter, Pawel Grüner, Niels Benjamin Hansen, Ditte Maria Damsgaard Hiort, Charlotte Bach Hove, Anne Ditte Koustrup Høj, Hans-Peter Klossek, Signe Bruun Kristensen, Nadia Schmidt Larsen, Line Egelund Nielsen, Sara Ringsborg, Ulrike Rübesam und Janek Sundahl. Des Weiteren nahmen teil, die Restauratorin Margit Petersen, der Architekt Jens Christian Pinborg und die Paläozoologin Dr. Pernille Bangsgaard Jensen, die in diesem Jahr mit der Aufarbeitung der umfangreichen Knochenfunde begann. Dr. Alf Hilding Lindroos (Åbo Universität, Finland) übernahm die Beprobung und Datierung von Mörtelproben des Wasserversorgungssystems mittels 14C-AMS und Peter Fink Jensen erprobte an unterschiedlichsten Materialien den praktischen Einsatz eines Handspektrometers. Drei jordanische Kollegen unterschiedlicher Disziplinen wurden in Form eines Praktikums in die grundlegende Systematik einer Fundbearbeitung eingeführt. Das jordanische Department of Antiquities vertraten in diesem Jahr die Herren Ali Oweisi und Akram Atoum.


Abb 46 Team Gerasa 2014
Abb. 46 Das Grabungsteam 2014.


Die im Detail untersuchte Gesamtfläche betrug in diesem Jahr rund 300 m². Ergänzend erfolgte am Südhang des Hügels auf einer Fläche von 5436 m² ein intensiver Oberflächensurvey (zur Lage s. Abb. 47) mit der Zielsetzung den Fundniederschlag in dem Siedlungsareal zwischen Schnitt L im Osten und der Stadtmauer im Westen zu erkunden.
Im Hinblick auf die geplanten Arbeiten der nächsten Jahre wurde 2014 das Festpunktnetz kontrolliert und erneut erweitert. Erstmals kam in diesem Jahr die Software © PhotoScan der Firma AgiSoft zur Aufnahme von Plana und Profilen umfassend zum Einsatz. Diese photogrammetrische Methode steigerte deutlich die Effizienz im Felde. Zur Erreichung der notwendigen Detailauflösung und wissenschaftlichen Interpretierbarkeit erwies sich eine zeichnerische Nachbearbeitung vor Ort jedoch als unerlässlich. Auch die Überarbeitung der zunächst provisorischen Modelle sowie die Extraktion und graphische Umsetzung spezieller Ansichten und Profilschnitte für die Publikation erfordern langwierige Nachbearbeitungen, die noch nicht abgeschlossen sind.
Was die Grabungsergebnisse insgesamt betrifft, bestimmen weiterhin die frühbyzantinischen und frühislamischen Epochen das Bild. Doch ist ein signifikanter Zuwachs an spätrömischen Funden zu verzeichnen, der auf eine zumindest partielle Nutzung des Nordwestviertels von Gerasa bereits in römischer Zeit deutet. Wie sich allerdings zeigte, steht diese Nutzung nicht mit einer Anbindung des Stadtviertels an das zentrale römische Straßensystem in Verbindung. Eine Trassenprojektion auf Basis einer Neuvermessung der gesicherten Abschnitte des Norddecumanus im Verein mit den negativen Grabungsbefunden in den Flächen G, I und M belegen, dass sich der Norddecumanus in Richtung Westen nicht bis in das Nordwestviertel fortsetzte (Abb. 48). Als gepflasterte Säulenstraße endete der Norddecumanus somit bei oder kurz hinter dem Nordtheater, weshalb auch ein nordwestliches Stadtmauertor in seiner Verlängerung unwahrscheinlich wird.
Abb 47 Gerasa 2014
Abb. 47 Plan des Nordwestviertels von Gerasa, Stand 2014.
Abb 48 Norddecumanus Neu
Abb. 48 Projektion eines möglichen Verlaufs des Norddecumanus auf Basis einer Neuvermessung des Jahres 2014.


Schnitt I

Ziel dieser Grabungsfläche war es den Hügelnordhang, insbesondere einen Höhleneingang in der Felswand, zu untersuchen, und der 10 m lange Suchgraben diente der Klärung einer möglichen Decumanus-Trasse sowie der Erkundung des ursprünglichen Geländereliefs (Abb. 49). In dem nach Norden geführten Suchgraben bestätigten sich die Ergebnisse der Vorjahresschnitte G und H vollauf. Es zeigt sich, dass der Felsabbruch einst deutlich steiler verlief und der Bereich nördlich dieser Klippe eine Erosionsrinne bildete, die offenbar unbebaut blieb. Über dem relativ weichen Grundgestein hatte sich lediglich Hangschutt akkumuliert; Reste oder auch nur Spuren einer antiken Straße fanden sich jedoch nicht. Die einzigen Baureste, bei denen es sich um einfache hangparallele sowie rechtwinkelig dazu angelegte Stützmauern handelte, fanden sich erst auf einem deutlich höheren Niveau. Zeugen der ältesten Nutzung der Felsklippe selbst sind regelmäßige Felsabarbeitungen sowie Bettungen für Steinblöcke, die sich an ihrer Oberkante entlang ziehen. Unmittelbar über diese Spuren verläuft eine neuzeitliche Wegestützmauer, die auch über die mit nachmittelalterlichem Hangschutt bedeckte Hangkante führt (Abb. 50). Unter diesem Hangschutt fand sich am Fuße des Felsabbruchs ein terrassierter Bereich mit mehrphasiger gegen die L-förmige Felswand errichteter Wohnbebauung aus frühbyzantinischer und frühislamischer Zeit, der die kleine natürliche Höhlung möglicherweise als Vorratsraum diente. Balkennester in der Felswand bestätigen, dass das älteste Gebäude ein Pultdach besaß. Zeugnisse einer der letzten Nutzungsphase dieses Platzes sind eine einfache offene Feuerstelle mit assoziierter spätayyubidisch-mamlukischer Keramik (Abb. 51) über den verschütteten Ruinen. Weder in der Höhle noch im Bereich vor der Felsklippe fanden sich Reste von Bestattungen, was insbesondere deshalb von Bedeutung ist, da von verschiedenster Seite in diesem Areal eine der frühen Stadtnekropolen postuliert wurde. Doch weder die Grabungen, noch die Durchsicht der Knochenfunde ergaben bislang Hinweise auf Bestattungen im Nordwestquartier. Auf dieser Befundlage scheint eine frühere Nutzung des Hangareals als Nekropole wenig wahrscheinlich.
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Schnitt J

Nutzung des Höhlenraums ist noch nicht abschließend geklärt, fest steht aber, dass er bereits aus römischer Zeit stammt (Abb. 53). In der Spätantike wurde nur noch der Zugangsschacht genutzt, wozu er einen Mörtelboden erhielt und der tunnelartige Zugang zur Höhle verschlossen wurde (Abb. 54). In dieser Phase diente der Treppenschacht als Küche, wie ein in den Boden eingelassener Tabun (Herd) und ein weiterer einfacher Herd bezeugen. Offenbar noch in der Spätantike wurde der Treppenschacht verfüllt, wozu im Zugangstunnel zur Höhle einfache Sperrmauern errichtet wurden. Ein in frühbyzantinischer Zeit senkrecht von oben in den Zugangstunnel getriebener Schacht wurde mit Hilfe einer weiteren niedrigen Ausmauerung offenbar rasch wieder verfüllt, da der Höhlenraum im Wesentlichen unverfüllt und unangetastet blieb. Neben den Funden bestätigen auch die 14C-datierten Holzkohleproben die unterschiedliche Datierung der beiden separaten Füllungen. Der umgestürzte Zentralpfeiler sowie Schäden an der gemauerten Südwand des weitgehend fundleeren Felsraums bezeugen massive Schäden durch Erdbeben (Abb. 55).
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Schnitt K

Mit diesem Schnitt wurde erstmals auch die ›Ostterrasse‹ des Hügels sondiert, deren Oberfläche mit Steinschutt und Architekturteilen von nicht selten ausgezeichneter Bearbeitungsqualität übersät ist. Die angetroffene Befundlage unterschied sich deutlich von den übrigen Grabungsflächen auf der Hügelkuppe, denn unter dem ungestörten Schutt einer Erdbebenzerstörung blieben Räume einer ausgedehnten, mindestens zweistöckigen Wohnbebauung erhalten (Abb. 56). Ein gedeckter und gegen den anstehenden Fels gesetzter Wasserkanal am Ostrand des Grabungsschnittes gehört wahrscheinlich noch zur ersten Bauphase des Baukomplexes. Der lehmreiche Versturz des Obergeschosses, dessen Mauern aus Stampflehm bestanden, füllte die Räume des Untergeschosses nahezu völlig und in ihm fanden sich außer Fragmenten bemalten Wandputzes und von Stuckleisten auch zahlreiche herabgestürzte Objekte. Zu diesen gehören etwa hauchdünne umayyadische Glasflaschen (Abb. 57 o. r.), Geräte zur Textilverarbeitung, wie etwa ein eiserner Flachs- oder Wollkamm sowie eine große Schere zur Schafschur, aber auch Gegenstände mit eher persönlichem Charakter. Zu Letzteren gehören neben Schmuck wie ein Fingerring oder Kettenperlen aus Gold und Onyx auch ein eisernes Röhrenamulett mit eingerollter beschriebener Silberfolie (Abb. 57 u. r.), dessen Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Auch ein in Textilien eingeschlagener Münzhort sowie ein byzantinisches Gewicht fanden sich in dem Schutt (Abb. 57 o. l.). Einige dieser Gegenstände befanden sich offenbar ursprünglich in einem hölzernen Kasten, dessen Beschläge, Verschluss und Schlüssel erhalten blieben. Nach vorläufiger Analyse der Keramik- und Glasfunde sowie des Münzhortes, der aus insgesamt 15 Bronzemünzen der Zeit zwischen Anastasius I. (491–518 n. Chr.) und Abd al-Malik (685–705 n. Chr.) besteht, und der übrigen Münzfunde, zu denen auch jüngere, islamische Prägungen der ersten Hälfte des 8. Jhs. n. Chr. gehören, und nicht zuletzt der radiokarbondatierten Bau- und Versturzschichten stammt das Gebäude aus umayyadischer Zeit und fiel schließlich dem verheerenden Erdbeben im Jahr 749 n. Chr. zum Opfer. Damit liegt ein äußerst bedeutsamer geschlossener Fund aus umayyadischer Zeit vor und bereits jetzt fällt auf, dass die so genannten Jerash bowls, die dominierende lokale Feinware frühbyzantinischer Zeit, in diesen Befunden offenbar nicht mehr vertreten sind.
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Schnitt L

Schnitt L diente der weiteren Untersuchung der großen Felszisterne am Südhang sowie deren Verhältnis zur westlich anschließenden Wohnbebauung und wurde deshalb an der Nahtstelle zwischen der von Gebäuden flankierten ostwestlich verlaufenden Straße und dem Westende der Zisterne angelegt (Abb. 47). Wie sich sehr bald zeigte, besaß die römische Zisterne tatsächlich einen ursprünglich rechteckigen Grundriss mit parallelen Seiten (Abb. 58). Nach ihrem Nutzungsende wurden Teile ihres westlichen Endes mit Mauern abgetrennt, dieser Bereich verfüllt und überbaut. Der treppenförmige Zugang dieser Phase führte auf die Sohle des Beckens hinab und steht offenkundig sowohl mit der im Vorjahr entdeckten Wohnnutzung im Inneren des Beckenbodens als auch mit der Errichtung einer regelhaften Wohnbebauung entlang der hangparallelen so genannten Südstraße in Verbindung. In einer folgenden Phase wurde der Zugang wieder verschlossen und der westliche Bereich verfüllt, wie es im Vorjahr ähnlich am östlichen Ende der Zisterne zu beobachten war. Die mehrphasige Geschichte der Wohnbebauung westlich des ehemaligen Wasserspeichers ließ sich anhand der mehrfach erneuerten Straßendecke ablesen. Die Wasserversorgung dieses Siedlungsareals übernahmen offenbar zunächst Bleirohrwasserleitungen und in einer der letzten Phasen ein gedeckter Wasserkanal, die unter den jeweiligen Straßendecken und im letzteren Fall am Nordrand der Straße verlegt waren. Keine dieser Leitungen entwässerte jedoch in die ehemalige Zisterne.
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Schnitt M

Mit Schnitt M am Nordostabhang des Hügels erfolgte eine Nachuntersuchung des nördlichen Teils eines Schnittes, der bereits in den frühen 1980er Jahren von einem britisch-amerikanischen Team auf der Verlängerung des Norddecumanus angelegt wurde (Abb. 48). Aus dem äußerst knappen Vorbericht ließ sich kein klares Bild des tatsächlichen Grabungsbefundes gewinnen, weshalb wir uns zu dieser Nachgrabung entschieden. Die Reinigung des Schnittes und Freilegung noch unberührter Schichtpartien erbrachte eine bearbeitete und stellenweise gestufte Felsoberfläche, auf der in späterer Zeit eine nach Norden gewandte Fassadenarchitektur mit korinthischen Säulen vor einer Terrassenstützmauer stand (Abb. 59). Im hinterfüllten hangseitigen Bereich der Terrasse wurde gleichzeitig ein ungefähr nord-südlich verlaufender Wasserkanal angelegt, der von den ehemaligen Ausgräbern als solcher nicht erkannt wurde. Da sich die Säulenbasen nicht gleichen, stellenweise auch abgearbeitet und in die Stützmauer eingebaut sind, ist eine römische Datierung der gegen den Hang gesetzten Fassadenarchitektur eher auszuschließen (Abb. 60). Bestätigt wurde dieser Schluss durch eine Konzentration frühbyzantinischer oder umayyadischer Vorratsgefäßscherben aus Grauware, die in der Hinterfüllung knapp über der Felsoberfläche entdeckt wurde. Die Orientierung der Baustruktur und die Gestalt der Felsoberfläche schließen aus, dass sich der Norddecumanus bis in dieses Areal erstreckte.
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Obwohl in der diesjährigen, sehr umfangreichen Kampagne, deren Aufarbeitung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, einige entscheidende Fragen geklärt werden konnten, wie etwa nach der Westerstreckung des Norddecumanus, ergeben sich auch völlig neue Fragen. Diese knüpfen sich an die Entdeckung eines ungestörten Zerstörungsbefundes umayyadischer Zeit auf der Ostterrasse, der für die Forschung als Glücksfall zu werten ist, aber auch an die Auffindung eines offenkundig älteren Höhlenraums. Dieser erfordert es bereits jetzt unsere Vorstellung von einem in vorbyzantinischer Zeit nahezu unbesiedelten und überwiegend als Steinbruch genutzten Hügels zu korrigieren. Auch die nun nahezu omnipräsenten Reste einer systematischen Wasserversorgung werfen Fragen auf, denen in den zukünftigen Grabungskampagnen verstärkt nachzugehen sein wird.