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Lisa Gerlach M.A.


Kulturgeschichte der Empfehlung im Spiegel deutsch-jüdischer Netzwerke im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert

Das Dissertationsprojekt untersucht Empfehlungsschreiben in sozialen Netzwerken deutschsprachiger Juden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das seit der Vormoderne bestehende Phänomen der Empfehlung verliert auch in der Moderne nicht an Bedeutung. Vielmehr erweist es sich als resiliente Praxis, die gesellschaftlich wirkmächtig ist. Es enthält zu dieser Zeit sowohl Hinweise auf familiäre und freundschaftliche Beziehungen, wie auch auf Karrierewege und Ausbildungsinhalte.

Die Variabilität und das Transformationsvermögen von Empfehlungsschreiben zeigen sich besonders in der Geschichte deutscher Juden. Für sie dienten Empfehlungsschreiben zu Beginn des Jahrhunderts dazu, sozialen Aufstieg zu gewährleisten und zunehmend international agierenden Institutionen Angestellte und Geschäftspartner zu vermitteln. Während des Nationalsozialismus wurden Empfehlungen dann zu einem wichtigen Mittel, um die Existenz, die Emigration und damit vielfach das schiere Überleben zu sichern.

Das Dissertationsvorhaben fragt danach, inwieweit persönliche Empfehlungen als kulturelles und soziales Kapital genutzt wurden, wie sie soziale Beziehungen in privaten wie in geschäftlichen und gesellschaftlichen Bereichen mitgestalteten, und in welcher Weise die jeweiligen historischen Bedingungen Einfluss auf Form, Inhalt und Stil der Textform hatten. Die Untersuchung basiert auf Quellen aus Universitäten und Bankhäusern in Deutschland, Amerika und Israel. Eingebettet wird diese Perspektive in die Untersuchung der seit einigen Jahren von der Geschichtswissenschaft stärker beachteten Bereiche Familie, Verwandtschaft, Freundschaft, Vertrauen und Rationalität.

Anna Schiff M.A.


Das Fremde und das Eigene. Eine Wissensgeschichte der Mädchensexualität in Deutschland (1922–1973)

Bisherige Forschungen zur Geschichte weiblicher Adoleszenz haben auf der einen Seite gezeigt, dass Konzepte weiblicher Adoleszenz einem historischen Wandel unterworfen sind. Andererseits wurden Kontroll- und Regulationsversuche der Sexualität weiblicher Jugendlicher als ein überspannendes Thema innerhalb der europäischen Geschichte der Mädchen im 20. Jahrhundert herausgearbeitet. Liegt diesen anhaltenden Kontroll- und Regulationsversuchen damit ein gleichbleibendes Verständnis von Mädchensexualität zugrunde? Gab es einen Wandel, Entwicklungen, Veränderungen in diesem Zeitraum? Teilten Mädchen dieses Verständnis oder hatten sie eine abweichende Vorstellung von ihrer Sexualität?

Die Dissertation untersucht Mädchensexualität im 20. Jahrhundert in Deutschland bzw. Westdeutschland aus wissensgeschichtlicher Perspektive. Das Projekt versteht sich als Beitrag zur Geschichte des Wissens, zur Geschichte der weiblichen Adoleszenz sowie zur Sexualitäts- und Körpergeschichte. Analysiert wird – in Anlehnung an Franz X. Eders Definition von Sexualität – der Wandel des Wissens über sexuelle oder sexuell interpretierte Handlungen, Verhaltensweisen, Wünsche und Begierden von Mädchen. Das Vorhaben fragt dabei nach dem Zusammenhang zwischen dem Wissen über Mädchensexualität einerseits und den Kontroll-, Regulations- und Liberalisierungsversuchen der Sexualität von weiblichen Jugendlichen andererseits.

Das Vorhaben fragt ebenfalls danach, inwieweit Mädchensexualität als Projektionsfläche für Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus fungierte – insbesondere in Kriegszeiten.

Die Untersuchung stützt sich auch einen Quellenkorpus basierend aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften (Sexualwissenschaft, Jugendpsychiatrie), kommerziellen Mädchenzeitschriften und Fallakten Jugendpsychiatrischer Einrichtungen.

Fidel Amoussou-Moderan M.A.


“In the Shadow and at the Risk of our Lives”: Global War, Blackness, and Transnational Resistance against the Axis in West-Africa

African agency in the fight against Fascism and National Socialism is still not sufficiently studied in the historiography. Leaving out this part of history is neither an innocent mistake nor a coincidence but could be rather an act of actively banning African agency from our collective memory and remembrance culture. In my dissertation project, I study “forgotten” Black resisters who have been subjected to arrest warrants, prison and/or death sentences, as well as victims of the colonial and fascist policies of Vichy in the Military Tribunal of Dakar.

By studying the resistance of African dissidents in French Western Africa between 1940 and 1942, I will delineate the discordant and complex history of the Black “Transnational Resistance” in wartime. The scope of the PhD project will extend beyond the year 1942by analysing the transfer of narrations, including its functions and its evolutions from the post-war period to the present time. While many historians mostly focus on white French and white British actors in Africa, the approach taken in this thesis both sheds new light on “forgotten Black Resistance” and discusses how the narrative of resistance has been saved and transferred through African family archives.

The Project is supported by the Hans Böckler Foundation.

Faruk Güler M.A./M.Ed.


Transnationale Politiken in der Diaspora: ExilantInnen in der Bundesrepublik zwischen 1967 und 1989

Politisch verfolgte Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland Asyl beantragt haben, standen bislang nicht im Fokus der geschlechtergeschichtlichen Demokratiegeschichte. Die ethnisch und politisch heterogene Diaspora trug jedoch wesentlich zum Wandel der bundesdeutschen Demokratie seit den 1960er-Jahren bei. Transnationale Politik war das Markenzeichen dieser ExilantInnen. Insbesondere infolge von Putschen und Militärinterventionen in der Türkei kam es zum Exodus von signifikanten Migrantengruppen, darunter viele PolitikerInnen, KünstlerInnen, StudentInnen, Intellektuelle und LehrerInnen. Diese Flüchtlingsgruppen organisierten in der Bundesrepublik Exilstrukturen, blieben im politischen Widerstand gegen die politische Führung ihres Heimatlandes aktiv, unterstützten andere MigrantInnen in Fragen der Sozialfürsorge und Arbeitswelt und waren teilweise in den westdeutschen sozialen Bewegungen und Gewerkschaften politisch und kulturell aktiv. Frauen nahmen darin eine wichtige Rolle ein.

Das Dissertationsprojekt, das seit November 2022 durch die Gerda Henkel Stiftung gefördert wird, betrachtet das Spannungsfeld zwischen Demokratie und Geschlecht als transnationale und intersektionale Konfliktgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es untersucht, welche Praktiken und Semantiken des Politischen die MigrantInnen aus ihren Herkunftsländern in die Bundesrepublik transferierten, wie sie in der politischen Öffentlichkeit intervenierten und sich in Deutschland als politische Subjekte inszenierten. In welcher Weise prägten sie die außerparlamentarische Opposition, die Frauen- und Queerbewegungen, die internationale Zusammenarbeit und die kommunalen Parlamente? Wie beeinflusste das Zusammenspiel von Erfahrungen und Erwartungen der MigrantInnen einerseits und bundesdeutscher Gesellschaft andererseits den Wandel der bundesrepublikanischen politischen Kultur? Der Fokus auf ExilantInnen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus bietet Aufschluss über das konflikthafte Verhältnis von Demokratie und Geschlecht in der Bundesrepublik seit den 1960er-Jahren.