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RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM Rede_N_Jordan Redebeitrag von Nicola Jordan Rede aus Anlass der Einstellung des Faches Skandinavistik an der
Ruhr-Universität Bochum, gehalten im Anschluss an Frau Prof. Dr. Ebels
Abschiedsvorlesung am 15. Dezember 2005 Sehr
geehrte Damen und Herren, Ich weiß nicht, ob man es auch in den hinteren
Reihen erkennen kann, aber sicher haben Sie alle schon diesen originellen
Aushang gesehen, mit dem die Fakultät für Philologie zur Zeit für ein
Auslandsstudium mit Sokrates wirbt. „Wir wollen Sie loswerden“, heißt
der Slogan darauf. Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich diese bewusst
provokanten Worte lese. Als Skandinavist neigt man in diesen Tagen zur
Empfindlichkeit und dazu, solche Botschaften misszuverstehen und auf sich
zu beziehen, denn wir versuchen ja nun schon seit Jahren, uns an den
Gedanken zu gewöhnen, dass man uns loswerden will, und jetzt scheint es
also endgültig so weit zu sein. Dementsprechend überkommt mit Wehmut,
wenn ich die beiden jungen Damen auf dem Bild betrachte, die sich – dem
Betrachter den Rücken zukehrend – mit Sack und Pack aufgemacht haben in
eine ungewisse Zukunft. Die Bochumer Skandinavistik ist immer eine kleine
Sektion gewesen, aber trotzdem – oder gerade auch deswegen – ließ es
sich hier sehr gut studieren und arbeiten. Deshalb hat der Beschluss des
Ministeriums, ein Fach mit so guter Auslastung und Examensquote zu schließen,
bei den Betroffenen Unverständnis und Widerstand hervorgerufen. Dass die
Umsetzung dieses Beschlusses dann trotz aller Bemühungen nicht verhindert
werden konnte, hat wiederum zu Enttäuschung und Verbitterung geführt.
Das alles soll heute nicht einfach verschwiegen werden, aber es soll nicht
überwiegen und auch nicht das sein, was wir mit in die Zukunft nehmen,
und deshalb meine ich, dass wir die Streichung unseres Fachs als Resultat
finanzieller und struktureller Zwänge akzeptieren und sie nicht als Akt
der Missachtung oder Willkür gegen das Fach und seine Vertreter
missverstehen sollten. Und ich bin der Auffassung, dass wir allen gegen
uns gefassten Beschlüssen zum Trotz heute auch Anlass zur Dankbarkeit
haben: Dankbarkeit gegenüber dem Ministerium in Düsseldorf, dem Rektorat
und der Verwaltung der RUB, der Fakultät für Philologie und dem
Germanistischen Institut, die es uns ermöglicht haben, dass die
Abwicklung des Faches unter so günstigen Umständen wie möglich ablaufen
konnte. Ganz besonders glücklich für uns war die Entscheidung, dass Frau
Ebel eine Sondergenehmigung erhielt, die es ihr erlaubte, über den
Stichtag ihrer eigentlichen Pensionierung hinaus bis heute im aktiven
Dienst zu verbleiben und das Fach, das sie in Bochum mitbegründet hatte,
auch selbst abzuwickeln. Das stärkste Gefühl, das viele von uns beherrscht
und das auch darin zum Ausdruck kommt, dass so viele Studierende,
Absolventen und ehemalige Mitarbeiter heute gekommen sind, dürfte die
Verbundenheit sein, die wir gegenüber der RUB und ganz besonders gegenüber
ihrer Skandinavistik empfinden. Diese Verbundenheit hängt sicherlich zum
einen mit der intimen Atmosphäre des kleinen Fachs zusammen, vor allem
aber ist sie das Verdienst von Frau Prof. Dr. Ebel. Sich die Bochumer
Skandinavistik ohne Frau Ebel vorzustellen, ist nahezu unmöglich. Sie hat
sie geprägt mit ihrer gleichermaßen großen Kompetenz in Lehre und
Forschung und mit ihrem außerordentlichen persönlichen Engagement für
die Belange der Sektion, der Studierenden und der Mitarbeiter. Allen
Studierenden – auch denjenigen, deren Studienzeit schon länger zurück
liegt – werden ihre Vorlesungen und Seminare mit den lebhaften
Diskussionen im Gedächtnis bleiben. Unvergesslich sind auch die Feste und
Exkursionen, allen voran die große Islandexkursion, die ohne Frau Ebels
Engagement nicht zustande gekommen wären. Die stärksten Erinnerungen
aber werden wir an die vielen persönlichen Gespräche haben, daran, wie
sie uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat und wie sie sich für
jeden einzelnen eingesetzt hat. Ohne Frau Ebels unermüdlichen Antrieb und
Einsatz wäre beispielsweise manches Examen ausgeblieben, mancher
Praktikumsplatz nicht gefunden worden und manche berufliche Laufbahn
weniger glücklich verlaufen. Unbedingt erwähnt werden muss in diesem
Zusammenhang auch Frau Ebels phänomenales Gedächtnis, dem nichts und
niemand entfällt. Für alles, was sie für uns getan hat, möchten wir
heute unseren tief und ehrlich empfundenen Dank aussprechen. Liebe Frau Ebel, ich weiß, dass Sie solche Lobes-
und Dankesworte über und an Sie nicht gerne hören, weil Sie ein sehr
bescheidener Mensch sind, der kein Aufhebens um sich macht, aber heute müssen
sie einmal gesagt werden. Wir, Ihre Mitarbeiter und Studenten, sind sehr
froh, dass Ihre heutige offizielle Verabschiedung kein Abschied ist, dass
Sie weiterhin Ihre verbliebenen Examenskandidaten und Doktoranden betreuen
und uns als Gesprächspartnerin zur Verfügung stehen werden. Und natürlich
sind wir auf Ihre weitere wissenschaftliche und publizistische Arbeit sehr
gespannt. Ein herzliches Dankeschön gebührt schließlich
auch unseren Studierenden, der Fachschaft insgesamt und insbesondere auch
ihren Vertretern. Sie haben dafür gesorgt, dass unsere Sektion bis auf
den heutigen Tag nichts an Vitalität eingebüßt hat. Wir Mitarbeiter wünschen
ihnen viel Erfolg für die letzten noch ausstehenden Examina und hoffen,
dass sie viel von der Bochumer Skandinavistik für ihre persönliche und
berufliche Zukunft mitnehmen. Die Lücke, die in den vergangenen Jahren dadurch
entstand, dass keine Erstsemester mehr nachrückten, wurde zumindest im
Bereich der Sprachkurse, die ja einen großen Teil unseres Lehrangebots
ausgemacht haben, durch fachfremde Studierende mehr als gefüllt. Die Dänisch-,
Norwegisch- und Schwedischkurse sind schon immer von Hörern aller Fakultäten
besucht worden, doch ist seit einigen Semestern ein stetiger, teils auch
sprunghafter Anstieg der Nachfrage zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist
es, die uns Hoffnung für die Zukunft gibt, und damit bin ich wieder zurück
bei dem Aushang, den ich Ihnen eingangs zeigte. Wenn es der RUB ernst
damit ist, ihre Studierenden los werden zu wollen, zunächst vielleicht
nur für ein Auslandssemester, später dann möglicherweise auch für
weiterführende Studien und Forschung im Ausland, wenn die Studierenden
fit gemacht werden sollen für ein Berufsleben, in dem
Internationalisierung eine immer größere Rolle spielt, dann wird eine
qualitativ hochwertige Sprachausbildung auch in Zukunft unverzichtbar
sein. An dieser Stelle möchte ich dem Germanistischen Institut und dem
Optionalbereich dafür danken, dass sie trotz angespannter Haushaltslage für
dieses Semester die Finanzierung der Schwedisch- bzw. Dänisch- und
Norwegischkurse übernommen haben. Und ich möchte an alle
Verantwortlichen in den verschiedenen Gremien und Institutionen
appellieren, die notwendigen Bedingungen dafür zu schaffen, dass das
bisherige Angebot an skandinavischen Sprachen an der RUB auch nach dem
Ende der Skandinavistik erhalten bleiben und vielleicht sogar dem Bedarf
entsprechend erweitert werden kann. Die Gründe dafür sind vielfältig
und einleuchtend. Die übergreifende historische Dimension, die langen und
engen Beziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien in Politik, Kultur
und Wirtschaft, von der Hanse bis zur EU, möchte ich nur am Rande erwähnen.
Von unmittelbarer Bedeutung für die RUB ist die Tatsache, dass viele
ihrer Institute einen umfassenden Austausch mit skandinavischen Partnern
pflegen, dass deshalb für eine große Zahl von Studierenden und Forschern
die Notwendigkeit besteht, eine skandinavische Sprache zu erlernen, und
dass die in vielen Bereichen bessere Arbeitsmarktlage in den nordischen Ländern
wie auch der Umstand, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner für
die dortige Wirtschaft ist, eine interessante Perspektive bieten. Dass das
auch die Studierenden so sehen, zeigt sich zum Beispiel darin, dass im
Sommersemester 2005 275 Studierende 59 verschiedener Fachrichtungen die
Schwedischkurse besucht haben. In Skandinavien sind die Hochschulen
gezwungen, ihr Angebot im Bereich Deutschunterricht immer weiter
herunterzufahren, weil das studentische Interesse mehr und mehr abnimmt.
Umso bedauerlicher wäre es, wenn die Entwicklung an der Ruhr-Universität
dahin gehen würde, dass sich trotz einer steigenden Nachfrage das Angebot
an nordischen Sprachen verschlechtern würde. Unsere Hoffnung für die
Zukunft ist daher, dass mit der Sprachausbildung, deren Relevanz auch nach
der Schließung des Fachs unvermindert hoch ist, wenigstens einer der über
viele Jahre hin etablierten Kernbereiche der Skandinavistik erhalten
bleibt, und dass die Ruhr-Universität uns auf diese Weise schließlich
doch nicht ganz los wird. Vielen Dank! |