Leider ist es sehr selten, dass ein Aphasiepatient (in Anführungsstrichen) „nur“ die Symptome der Aphasie zeigt. Bei den meisten Patienten sind neben allen Modalitäten der Sprache auch andere kognitive Fähigkeiten, so z.B. die Konzentrationsfähigkeit an sich, die Planung von Handlungen, das Gedächtnis und ihre Belastbarkeit nicht mehr die, die sie vor der Erkrankung von sich gewohnt waren. Menschen, die eine Aphasie haben, können sich nicht mehr so lange wie früher konzentrieren, dies erklärt auch, warum die geschilderten Therapiezeiten so kurz (in den Augen Gesunder) sind. Oft benötigen sie auch mehrere Wiederholungen, um sich Dinge merken zu können.
Neben diesen weiteren Problemen sollten Angehörige sich auch darauf gefasst machen, dass ein Mensch mit Aphasie wesentlich empfindlicher auf Misserfolge reagiert, als vor der Verletzung. Wenn man sich einmal vorstellt, was es für uns Menschen bedeutet, eine Fähigkeit von jetzt auf gleich nicht mehr ausüben zu können, dann sind diese ungeduldigen Reaktionen sehr verständlich. Was jeder gesunde Mensch als kleines Kind mühelos gelernt hat, ist plötzlich verschwunden: die Fähigkeit, sich mitzuteilen. Viele Patienten mit Aphasie zeigen früher oder später alle Anzeichen einer Depression, häufig muss diese gesondert behandelt werden. Der Umgang damit, dass Ihr Angehöriger neben all diesen gesundheitlichen Problemen nun „auch noch“ psychische Probleme entwickelt, ist für Freunde und Verwandte eines Aphasiepatienten nicht leicht. Nun ist Geduld und Verständnis gefragt.
Wenn es sich um eine Aphasie aufgrund der Läsion der Arteria cerebri media handelt, hat der Patient meist noch weitere teilweise sehr gravierende Einschränkungen, mit denen er zurecht kommen muss. Oft entsteht eine Hemiparese, eine halbseitige Lähmung der Extremitäten, entweder ein Arm und ein Bein gleichtzeitig oder nur eines von beiden. Es kann auch zu anderen Ausfällen kommen, auf die hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden kann. Bei vielen Patienten mit Aphasie tritt eine Anosognosie auf. Oft entwickeln sie auch Angstzustände oder sie werden aggressiv, sie können auch unrealistische Erwartungen haben was den Therapieerfolg angeht. Wenn frontale Hirnstrukturen betroffen sind, kommt es leider auch oft zu Veränderungen der Persönlichkeit (beispielsweise können diese Patienten ihre Impulse nicht mehr so kontrollieren, also den unwiderstehlichen Drang, etwas bestimmtes zu tun, nicht mehr so unterdrücken, wie vor der Verletzung). Als Angehöriger muss man sich also auf viele „Nebenkriegsschauplätze“ einstellen!