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Auslandserfahrungen von Studierenden


Annika Jung

Wahl des Praktikums

Im Rahmen des Optionalbereichs im 2-Fach Bachelor habe ich ein sechswöchiges Praktikum bei Isha L’Isha, einer feministischen Nichtregierungsorganisation (NGO) in Haifa, absolviert. Dort konnte ich wunderbare Erfahrungen sammeln.

Meine Wahl fiel auf die Stadt Haifa (Israel) als Praktikumsort, weil ich in ein Land im sogenannten Nahen Osten reisen wollte, um sowohl mit der arabischen Sprache vertrauter zu werden, als auch einen kleinen Einblick in den sehr großen Kulturraum der Region zu erhalten. Mich interessiert insbesondere feministische Arbeit im Rahmen von NGOs, oder anderen von Frauen bzw. FLINTA (Frauen, Lesben, Inter-, nicht-binären, trans und agender Personen) geschaffenen Räumen. Ich hatte zuvor Israel/Palästina auf einer kurzen Urlaubsreise ein wenig kennenlernen dürfen und wählte dieses Land für mein Auslandspraktikum.

Kommunikation, Finanzen, Visum

Um meinen Plan zu realisieren, brauchte ich lediglich per E-Mail Kontakt zur gewünschten Organisation aufnehmen, von der ich durch eine Freundin erfahren hatte. Sie selbst hatte dort bereits gute Erfahrungen als Praktikantin gesammelt. Nach nur wenigen E-Mails war klar, dass ich mein Praktikum im gewünschten Zeitraum absolvieren können würde. Ich musste mich nun um ein Promos-Stipendium des DAAD bemühen. Das International Office an der Ruhr-Universität Bochum hat mich während des gesamten Prozesses der Bewerbung um ein Stipendium tatkräftig unterstützt und mich lieb und geduldig beraten. Außerdem half mir meine Praktikumsanleiterin, eine Unterkunft vor Ort zu finden. Die Einreise nach Israel verlief unkompliziert. Als deutsche:r Staatsbürger:in  ist es nicht nötig, im Vorhinein ein Visum zu beantragen, wenn der Aufenthalt nicht einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet. Am Flughafen in Israel wird bei der Ankunft an einer Art Ticketschalter auf Knopfdruck und nach Scan des Reisepasses ein Visum, ähnlich wie ein Busticket, ausgedruckt. Lediglich an den Abschluss einer Reiseversicherung sollte man noch denken.

Die Arbeit in einem feministischen Kollektiv

Die NGO Isha L’Isha verfolgt in ihrer feministischen Arbeit drei Ansätze: Community Building und Aktivismus, soziale Projekte, als auch wissenschaftliche Recherchearbeit. Die letztgenannte Recherchearbeit dient der NGO dazu, Politiker:innen zu beraten und ggf. Druck auf sie auszuüben. Die Kommunikation in der NGO fand auf Arabisch oder Hebräisch statt. Aufgrund der Sprachbarriere konnte ich die Mitarbeiter:innen der NGO leider nicht bei Tätigkeiten im Bereich des Community Buildings und im größten Projekt der Organisation unterstützen. Dennoch konnte ich mich beispielsweise im Research Center, beim Fundraising, mit Übersetzungen (es kommen immer wieder deutsche Gruppen und Einzelpersonen zu Besuch), in der Bibliothek oder der Öffentlichkeitsarbeit einbringen.

Insgesamt habe ich es sehr genossen, für die Zeit meines Praktikums, Teil der Organisation und somit des feministischen Kollektivs zu sein, mit den Frauen in den Austausch zu treten und von ihnen zu lernen. Es war für mich eine einzigartige Erfahrung eines wertschätzenden, respektvollen und fürsorglichen Miteinanders. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb bei Isha L’Isha gegeben, da die Frauen nicht nur miteinander arbeiten. Die meisten von ihnen kennen sich bereits seit vielen Jahren und für sie ist die Organisation ein Ort des Zusammenkommens und des Austausches. Bereits davon konnte ich eine Menge mitnehmen. Auch von dem hohen Maß an Flexibilität, großer Verbundenheit und intensiver Zusammenarbeit können wir hier in Deutschland in den meisten Arbeitskontexten meiner Meinung nach noch viel lernen.

Die Justizreform

Mein Praktikumsaufenthalt in Haifa fiel mit der Zeit der angestrebten Justizreform durch die Regierungskoalition unter dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zusammen. Unzählige Menschen gingen in ganz Israel Woche um Woche auf die Straße und protestierten dagegen. Die Stimmung in der Bevölkerung war etwas angespannt, und auch die Besorgnis unter meinen Kolleginnen bei Isha L’Isha war deutlich spürbar. Es war für mich sehr interessant und bereichernd, mit ihnen Gespräche über diese Situation zu führen, denn die Justizreform - so war dort allen klar - würde auch Einfluss auf die feministische Arbeit von NGOs und das Alltagsleben meiner Kolleginnen haben. Dennoch behinderte die Situation meinen geplanten Praktikumsaufenthalt und die damit verbundenen Tätigkeiten nicht.

Mein Fazit

Abgesehen von den durchweg positiven Erfahrungen in der Organisation ist Haifa eine wunderschöne und vielfältige Stadt mit tollen Menschen, in der ich mich zu jedem Zeitpunkt – auch nachts allein – sicher und wohlgefühlt habe. Wenn du eine Person bist, die sich für die vielfältige Arbeit feministischer NGOs interessiert, du gut darin bist, selbstständig zu arbeiten und immer wieder auf Mitarbeiter:innen zuzugehen, um dir neue Tätigkeiten zu suchen und deinen Alltag vor Ort zu strukturieren, könnte ein Praktikum bei Isha L’Isha genau das Richtige für dich sein. Es war etwas Besonderes, Teil des feministischen Kollektivs zu sein, in dem alle sehr herzlich aufgenommen werden. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrung und ich freue mich schon sehr darauf, eines Tages nach Haifa zurückkehren zu dürfen.

Marco Jusman

Einführung und Motivation 

„Ein Praktikum am Orient-Institut in Beirut… das könnte eine einzigartige Erfahrung sein!“ Das war meine erste Reaktion nach einem netten Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Johann Büssow vor ein paar Jahren. Wir hatten uns mehr als eine halbe Stunde über den Libanon unterhalten. Dieses Gespräch weckte mein Interesse an einem Praktikum am OIB Beirut. Meine Faszination für die Musik, die Kultur und die spannende Geschichte des Libanon, meine vorherigen Reiseerfahrungen als Tourist im Jahr 2019 und meine Bachelorarbeit über die gesellschaftlich-ökonomischen und politischen Veränderungen im Mont Liban nach der Bauern-Revolte von 1858 motivierten mich zusätzlich.

Vorbereitung und Bewerbung

Ich stellte mir also die Frage: Was muss ich tun, um eine Stelle als Praktikant am Orient-Institut Beirut zu bekommen? Der erste Schritt war eine gründliche Recherche über das Praktikumsprogramm und das Bewerbungsverfahren. Danach musste ich mich mit der bürokratischen Realität auseinandersetzen: Kursleistungen, Zeugnisse, ein Motivations- und Empfehlungsschreiben und persönliche Informationen einreichen. Wichtig war auch die Bewerbungsfrist, die jeweils im März und im September liegt.

Nachdem ich die Zusage für das Praktikum erhielt, kümmerte ich mich um die Finanzierung, den Aufenthalt und das Visum. Da ich nicht viel Zeit vor meiner Abreise hatte, bin ich leider nicht die beste Ansprechperson, wenn es um die Frage geht, ob das Praktikum durch ein Stipendienprogramm finanziert werden kann. Mein Tipp: Nehmt auf jeden Fall Bargeld (Dollars) mit, weil sich das Land aktuell mit einer schwierigen ökonomischen Lage konfrontiert sieht und die lokale Währung einen fortwährenden Wertverlust verzeichnet. Ich entschied mich, im Institut zu wohnen, was meine Vorbereitungen erleichterte. Für das Visum setzte ich mich mit der libanesischen Botschaft in Verbindung und ich hatte ein angenehmes Treffen mit dem libanesischen Botschafter in meinem Heimatland. Wenn ihr länger als 90 Tage im Libanon bleiben bzw. ein achtwöchiges (oder längeres) Praktikum absolvieren möchtet, müsst ihr euch rechtzeitig mit der Botschaft des Libanon in Verbindung setzen.  

Erfahrungen und Aufgaben 

Jeder Anfang ist schwer, aber ich konnte mich schnell an das Institutsumfeld anpassen. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Tag am Institut. Nach einer ausführlichen Einführung in die Bibliothek, die Räumlichkeiten, das Personal, die Zwecke und die Geschichte der Institution sowie deren Publikationen und Sammlungen, begann ich, das Personal im bibliothekarischen Arbeitsumfeld zu unterstützen.

Nach dieser Anfangsphase konnte ich bald schon zusätzliche Aufgaben übernehmen und setzte mich u.a. mit anderen wichtigen, kulturellen Institutionen in Beirut in Verbindung. Ein konkretes Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen dem OIB und dem Sursock-Museum im Rahmen des LAWHA-Projekts. Zusammen mit meiner Praktikumskollegin beteiligte ich mich an der Digitalisierung und Sammlung von Dokumenten über libanesische Künstler:innen. Weitere Aufgaben umfassten die Recherche nach bestimmten Themen und Autor:innen, die Korrektur von Publikationen und weitere bibliothekarische Aufgaben.

Eine besondere und interessante Erfahrung war die einwöchige Anthropologie-Konferenz am OIB. Wir waren für organisatorische Angelegenheiten zuständig. Der Schwerpunkt der Konferenz lag auf der Geschichte und Bildung der Anthropologie in verschiedenen arabischen Ländern und der Definition der Anthropologie als Wissenschaft. Besonders faszinierend war die dreisprachige Durchführung der Konferenz (Arabisch, Englisch und Französisch), bei der wir alle – Praktikant:innen, technisches Team, Professor:innen und Übersetzer:innen – gut zusammenarbeiteten.

Freizeit und persönliche Erfahrungen 

Neben der Arbeit nutzte ich meine Freizeit, um den Libanon zu erkunden. Ich besuchte kulturelle und historische Stätten wie Baalbek und Byblos, genoss die vielfältigen Landschaften und nahm an Exkursionen und Veranstaltungen des OIB-Teams teil. Besonders erwähnenswert sind die Exkursion nach Nahr al-Kalb und die Abendessen in den besten Restaurants Beiruts, die von der Institutsleitung organisiert wurden. Diese Erlebnisse bereicherten meine Zeit im Libanon und boten mir die Möglichkeit, die lokale Kultur und Küche kennenzulernen.

Fazit 

Insgesamt war mein Aufenthalt am OIB in Beirut eine äußerst bereichernde Erfahrung. Ich kann das Praktikum allen Student:innen aus dem Fachgebiet Islamwissenschaft und Arabistik wärmstens empfehlen. Das Praktikum hat mir geholfen, auf professioneller, akademischer und sprachlicher Ebene zu wachsen. Die schönen Erinnerungen an die Menschen und Orte, die ich kennengelernt habe, machen diese Erfahrung unvergesslich. Auch ein Jahr später denke ich noch nostalgisch an diese Zeit zurück und bezeichne sie als die beste Zeit meines Lebens.

Alina Floride und Begüm Karagöz

Im Rahmen des durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziell geförderten Programms „Hochschuldialog mit der islamischen Welt” hatten wir, Begüm Karagöz und Alina Floride, das große Glück, an einer Summer School in Tunesien teilnehmen zu dürfen. Unter dem Projekttitel „Anā wa-ant in performativen Weltzugängen” organisierten vier Universitäten, d.h. die Georg-August-Universität Göttingen, die Ruhr-Universität Bochum, die University of Nizwa im Oman und die University of Jendouba in Tunesien, einen gemeinsamen Studierendenaustausch. Im Zeitraum vom 5. Oktober bis zum 15. Oktober 2023 verbrachten wir zehn abwechslungsreiche und spannende Tage mit Studierenden und Dozierenden der vier o.g. Universitäten in Tunesien.

Das Programm

Der wissenschaftliche, kulturelle und sprachliche Austausch bildete den Kern des Programms. Dozierende und Studierende hielten wissenschaftliche Vorträge sowie kürzere Inputs zu einer Bandbreite an Themen, die von linguistischen Besonderheiten der arabischen Sprache und ihren Dialekten, über Medien und Alltagskultur bis hin zur Literatur reichte. Sehr gut organisierte Sprachtandems erleichterten und förderten die Kommunikation und den Austausch zwischen den Teilnehmer:innen. Die arabischen Studierenden hielten ihre Vorträge auf Deutsch und die deutschen Studierenden präsentierten ihre Themen auf Arabisch. Zur Ausarbeitung der Präsentationen fanden sich regelmäßig kleinere Gruppen der verschiedenen Universitäten in der Hotellobby, oder andernorts zu einem Kaffee zusammen. Auf diesem Wege konnten sich die Teilnehmer:innen gegenseitig, insbesondere auf sprachlicher Ebene, unterstützen. Dank der Summer School konnten wir allgemein unsere Arabischkenntnisse verbessern. Wir wurden ermutigt, uns auf Hocharabisch auszudrücken und uns zu trauen, sprachliche Barrieren zu überwinden.

Landeskunde

Zudem konnten wir das Land Tunesien auf eine besondere Weise entdecken. So besuchten wir historische Stätten wie Dugga, El Kef und Testour und wir erhielten vor Ort Einblicke in die landestypische Küche, Musik und Kunst. In El Kef nahmen wir z.B. am Institut Supérieur de Musique et de Théâtre de Kef an einem Theater-Workshop teil. Diese Erfahrung war für uns außerordentlich bereichernd und der Workshop förderte die Überwindung sprachlicher Barrieren und persönlicher Hemmungen. Der Zusammenhalt in der Gruppe wurde durch solche Aktivitäten gestärkt. Besonders in Erinnerung geblieben sind die langen Busfahrten in Tunesien, die gar nicht als so lang empfunden wurden, da Lubna, eine Teilnehmerin aus Göttingen, als legendäre DJane für Unterhaltung sorgte. Sie bekam den liebevollen Spitznamen „DJ Lublub“ und hat uns musikalisch in bester Stimmung von A nach B geleitet.

Freundschaften

Auch Freundschaften sind im Rahmen des Aufenthalts in Tunesien entstanden. Leila, eine Teilnehmerin aus Tunesien, kam nur drei Monate nach der Summer School zu Besuch nach Deutschland. Über den privaten Kontakt zu Göttinger Studierenden und zu uns, den Bochumer Studierenden, hat sie einen Einblick in unser Leben in Deutschland erhalten. Durch den engen Kontakt zu den einheimischen Studierenden, die uns sehr herzlich empfingen und stets begleiteten, haben wir das Land Tunesien auf eine sehr authentische Art und Weise kennenlernen können.

Empfehlung

Wir können es nur wärmstens empfehlen, an solchen Austauschprogrammen teilzunehmen. Dass die Kosten, inklusive der Flüge und Zugfahrten, komplett vom DAAD gedeckt wurden, ist besonders positiv zu bewerten. Dadurch ist die Summer School für alle Studierenden eine attraktive Möglichkeit, Erfahrungen im Ausland zu sammeln.