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Forschung - Griechische Geschichte

Profil

Die an der Ruhr-Universität Bochum über Jahre aufgebaute und vertretene Schwerpunktsetzung auf panmediterrane Zusammenhänge wird auch weiterhin die Ausrichtung dieser Professur prägen. Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf der historiographischen Reflexion von Prozessen der Verflechtung und damit verbundenen Herausforderungen, insbesondere in der griechischen Überlieferung. Dabei kommt Thukydides von Athen ein besonderer Rang zu, dessen Werk in interdisziplinärem Dialog, v.a. mit der Politikwissenschaft, in Teilen neu interpretiert wird. Auch die frühe "Zwischenstaatlichkeit" stellt einen Focus der Beschäftigung dar, verbunden mit Fragen der rechtlichen Ausgestaltung dieser Beziehungen zwischen Gemeinwesen im Mittelmeerraum und darüber hinaus. Das Meer selbst, nicht allein seine Anrainer, steht im Mittelpunkt von Überlegungen, die das maritime Potential wie auch die als entscheidend wahrgenommenen Probleme des Umgangs mit dem Element als Diskursansätze in den Blick nehmen. Nicht zuletzt soll die Rezeption der Antike als entscheidendes heuristisches Feld für die Bewertung antiker Quellen und Zusammenhänge weiter erschlossen werden.

 

aktuelle Veröffentlichungen

Seemacht Der Erste Thalassokratographie Thucydides exempla imitanda Mare Nostrum

 

Forschungsprojekte

Aktuell:

GIF-Projekt: Thucydides and Political Order reconsidered. Towards a 21st Century reading of the History of the Peloponnesian War

(GIF-Förderung von 04/16-12/19)

Das Projekt wurde gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Christian Thauer (Senior Lecturer, Political Science, Hebrew University of Jerusalem) konzipiert, und es konnte im April 2016 seine Arbeit aufnehmen (damals noch an der Freien Universität Berlin). Ziel des Projektes ist es, Lesarten des Thukydides zu identifizieren, die für den kommenden interdisziplinären Dialog besonders fruchtbar zu machen sind.

Die bereits länger initiierte Zusammenarbeit mit der Hebrew University of Jerusalem und den dortigen Political Sciences kann damit auf eine institutionelle Grundlage gestellt werden. Mit Dr. Benjamin Earley (vormals Bristol und Cambridge) konnte ein ausgewiesener internationaler Experte für die Thukydides-Rezeption als PostDoc für das Projekt gewonnen werden, der sich mit der englischsprachigen Thukydides-Rezeption des 19. und 20. Jahrhunderts auseinandersetzt, um in enger Zusammenarbeit mit meinen Untersuchungen zur deutschen und französischen Rezeption insbesondere in der Zeit des 1. Weltkriegs zu eruieren, wo genau der Umschlag des Thukydides-Verständnisses von dem unfehlbaren Modellhistoriker zum politischen Theoretiker und überzeitlichen Denker zu verorten ist. Bislang überwiegt die Überzeugung, dies sei ein primär nach dem 2. Weltkrieg einsetzender akademischer Trend. Erst wenn ein klareres Verstehen der Umstände möglich ist, wie es überhaupt möglich war, Thukydides als den Vordenker etwa des Kalten Kriegs zu lesen, wird die Entwicklung einer neuen politisch-analytischen Interpretation des Werks sinnvoll, die sich der Voraussetzungen und Annahmen bewusst ist, welche zum heutigen Thukydidesbild außerhalb der Antikeforschung geführt haben.

Detailstudien zu prominenten Intellektuellen wie Arnold Toynbee, Alfred Zimmern, Albert Thibaudet oder Eduard Meyer werden einen wichtigen Beleg erbringen, wie intensiv die Analogiefähigkeit des Thukydides für die Zeitgeschichte oder das politische Verständnis reflektiert und propagiert wurde. Neben einem faszinierenden Stück Wissenschaftsgeschichte sollen vom ehemals Berliner, nun Bochumer Team also die Grundlagen beleuchtet werden, die die disziplinären Vorannahmen hinsichtlich des thukydideischen Werks und seiner Aussage determiniert haben.

Christian Thauer und sein Team in Jerusalem werden sich Kernpassagen des thukydideischen Texts in politikwissenschaftlicher Fragestellung widmen, die auf ihre Ergiebigkeit für spezifische politische Herausforderungen des 21. Jahrhunderts geprüft werden sollen. Schließlich soll auf der Basis beider größeren Teilprojekte gemeinsam erfragt werden, welcher Wert den thukydideischen Erkenntnissen für die moderne politische Analyse zukommen und worin ihr spezifischer Wert liegen kann. Schließlich wird im Jahr 2019 eine große gemeinsame Konferenz in Jerusalem stattfinden, die den "Thucydidean Turn" als Erklärungsansatz hinterfragen und damit unsere Zwischenergebnisse zur Diskussion stellen soll.

Abgeschlossen:

DFG-Projekt: "Die (Ohn-)Macht des Stärkeren. Thukydides und die interpolitische Ordnung"

Thukydides gilt bis heute als "classic text-book on international relations" (Schwarzenberger 1969) und dient - allerdings häufig aufgrund problematischer Verkürzungen - als Vorlage für moderne Modellbildungen im Kontext der "Internationalen Beziehungen". Die althistorische Forschung hat sich dieser Fragestellung bisher kaum angenommen. Der hier verfolgte interdisziplinäre Ansatz begegnet diesem Desiderat und führt zu einer neuen Interpretation des thukydideischen Werks in interpolitischer Perspektive. Dabei wurde die Möglichkeit eruiert, Vorstellungen einer Ordnung für den Verkehr zwischen Poleis in der "Geschichte des Peloponnesischen Krieges" zu verorten und so den athenischen Autor auf der Basis althistorisch-philologischer Analyse als Referenz für Governance- und Völkerrechtsdiskurse zu etablieren. Damit soll die Thukydides-Rezeption in Geschichts- und Politikwissenschaft sowie verwandten Disziplinen auf eine neue Grundlage gestellt werden.

Einstein-Projekt: "Bewegung als Prinzip. Dynamik und Transformation als politische Impulse im 5. Jh. v. Chr."

In enger Kooperation zwischen Neville Morley und Christian Wendt widmete sich die Forschergruppe dem Thema des Wandels und der Bewegung in den politischen Kontexten des 5. Jahrhunderts v. Chr. Der besondere Focus lag dabei auf dem athenischen Geschichtsschreiber Thukydides, der den Peloponnesischen Krieg (431-404) ganz zu Beginn seines Werkes programmatisch im Zusammenhang mit der kinesis megiste, der "größten Bewegung" für die Menschen entwirft (1,1). Diese Zuschreibung neu zu interpretieren und auf dieser Basis eine komplexere Deutung für das gesamte Geschichtswerk des Thukydides zu entwickeln war heuristischer Ausgangspunkt des Projekts. Indem erstmalig das intellektuelle Umfeld des 5. Jahrhunderts (z.B. Philosophie, Theater, bildende Kunst) und spezifisch dessen Befassung mit den Phänomenen der Bewegung und der Transformation als ein größerer Diskurs in den Blick genommen wurden, war es möglich zu zeigen, dass wir allein eine Ausprägung dieses Phänomens bei Thukydides vorfinden. Die Ergebnisse unserer gemeinsamen Forschungen haben ein facettiertes Bild des Umgangs mit dem Problem und der Herausforderung "Wandel" im 5. Jahrhundert entstehen lassen, das in viele Dimensionen ausbaufähig ist. Dies gilt insbesondere für Bereiche, die die Antikebilder der Nachantike behandeln - was gerade das 5. Jahrhundert so charakteristisch macht, ist im Besonderen an den diversen Inanspruchnahmen in vielen Kontexten erkennbar bzw. zu hinterfragen. Dies berührt geschichtstheoretische Ebenen, deren Reflexion Teil des Projekts war, jedoch in einer längerfristigen Perspektive auch zukünftig besonders fruchtbar werden kann. Neville Morley als der international führende Forscher auf dem Gebiet der Thukydidesrezeption brachte als Einstein Visiting Fellow seine besondere Kompetenz in die gemeinsame Fragestellung ein.

TOPOI-Projekt: "Seeherrschaft in der Antike"

Als Mitglied der Gruppe B-1 (Teilprojekt B-1-1: http://www.topoi.org/project/b-1-1/) untersuchte Christian Wendt gemeinsam mit Ernst Baltrusch, inwieweit die in der ersten Phase des Exzellenzclusters TOPOI behandelten Prinzipien von Herrschaft, Ordnung und "Governance" auch auf Wasserräume Übertragung finden können. Wendt konzentrierte sich dabei auf die Ebene der Herrschaftslegitimation und erörtert, welchen funktionalen Rang das Wasser und dessen Kontrolle für insbesondere die römischen principes einnahm. Auch Reflexionen zu griechischen Konzepten von "Seeherrschaft" waren Teil des Projekts.

 

Fellowships

Johns Hopkins University (Baltimore): 2016 Global Humanities Senior Research and Teaching Fellow

University of Exeter: 2017 Visiting International Researcher

 

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