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Nachrichtendienstgeschichte im frühen Kalten Krieg

Reinhard Gehlen

 

Reinhard Gehlen (1902-1979) war während des Zweiten Weltkrieges ein General der Wehrmacht und als Leiter der Abteilung „Fremde Heere Ost“ (FHO) für die Spionagearbeit in Osteuropa zuständig. Die Entwicklungen des Zweiten Weltkrieges ließen ihn schließlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass das Dritte Reich den Krieg nicht gewinnen würde. Als Hauptakteur einer globalen Nachkriegsordnung sah Gehlen die USA. So ließ er gegen Ende des Jahres 1944 große Teile der vom FHO erstellten Dokumente auf Mikrofilme übertragen und bot diese nach seiner Gefangennahme am 22. Mai 1945 durch die US-Armee den amerikanischen Vernehmungsoffizieren an. Gehlens Expertise über die Länder Osteuropas und vor allem über die Sowjetunion und die Rote Armee erwies sich für die USA als äußerst wertvoll und verhinderten eine Auslieferung Gehlens an die Sowjetunion.

Im Sommer 1945 wurde Gehlen gemeinsam mit einigen Mitstreitern in das US-Vernehmungslager Fort Hunt gebracht. Nach seiner Rückkehr in die US-amerikanische Besatzungszone im Juli 1946 gründete er die so genannte „Organisation Gehlen“, ein zunächst von den USA finanzierte Spionagering, der zum Vorläufer den späteren Bundesnachrichtendienstes (BND) werden sollte.

Als Mitarbeiter scharrte Gehlen zahlreiche frühere Mitstreiter um sich, die während des Dritten Reiches im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), der Wehrmacht oder der Waffen-SS tätig gewesen waren. Er unterhielt gute Kontakte zur Regierung Adenauer, aber auch zu Mitgliedern der Oppositionspartei SPD. Frühzeitig plädierte Gehlen für eine Emanzipation seiner Organisation von den USA sowie für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Gehlen verfügte über ein großes und undurchsichtiges Netzwerk. Nicht nur übernahm er Personen mit einer zweifelhaften NS-Vergangenheit in seinen Dienst, auch unterließ er die Verfolgung von Kriegsverbrechern oder verhalf diesen in einigen Fällen zur Flucht. So lagen der OG offenbar seit 1952 Informationen über den Aufenthaltsort und Decknamen Adolf Eichmanns vor, die jedoch erst 1958 an die CIA weitergeleitet wurden.

Als die OG am 1. April 1956 in den Bundesnachrichtendienst überging, wurde Gehlen zum ersten Präsidenten der neuen Institution ernannt, der er bis 1968 vorstand.


Weiterführende Literatur:

  • Reinhard GEHLEN: Der Dienst. Erinnerungen 1942-1971, Mainz/Wiesbaden 1971.

  • SPIEGELONLINE: Nazi-Verbrecher: Deutscher Geheimdienst kannte Eichmann-Versteck schon 1952 (08.01.2011), in: SPIEGEL.

  • Hermann ZOLLING, Heinz HÖHNE: Pullach intern. General Gehlen und die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes, Hamburg 1971.