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Inhaltliches Konzept

Feministische und queere Psychologien verstehen Geschlecht und Sexualität als zentrale Strukturkategorien unserer Gesellschaft. Sie analysieren die Interdependenz mit weiteren gesellschaftsstrukturierenden Differenzkategorien und die dadurch entstehenden komplexen Machtbeziehungen. Auf dieser Grundlage werden Veränderungsnotwendigkeiten formuliert und Veränderungsmöglichkeiten entwickelt: Wie können psychologische Wissenschaften und Praktiken aussehen, die ein machtkritisches Verständnis von Geschlecht und Sexualität zugrunde legen?

Dabei unterscheiden sich feministische und queere Psychologien vom Mainstream der psychologischen Geschlechterforschung bzw. Genderforschung vor allem durch drei Charakteristika:

  • erstens distanzieren sie sich vom Ideal objektiven und damit standpunktlosen Wissens,
  • zweitens betrachten sie Geschlecht (oder auch sexuelle Orientierung) nicht als voraussetzungslose unabhängige Variable sondern als Effekt gesellschaftlicher Machtverhältnisse, dessen psychologische Voraussetzungen und Konsequenzen analysiert werden und
  • drittens setzen sie sich selbstreflexiv mit der eigenen Forschung bzw. Berufspraxis auseinander und vermeiden so weit wie möglich eine Fortschreibung bzw. Fortführung der von ihnen untersuchten Mechanismen und Strukturen (beispielsweise Zweigeschlechtlichkeit).

Mit der Tagung „Feministische und queere Perspektiven für die Psychologie III“ schließen wir an die vorangegangenen Konferenzen 2015 in Bochum und 2017 in Köln an. Seitdem haben sich viele gesellschaftspolitische Probleme zugespitzt: Mit den vielfältigen Auswirkungen der Corona-Pandemie und den damit zusammenhängenden politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen und Reaktionen sind wir aktuell konfrontiert. Die Klimakrise wird ständig spürbarer, rechte Parteien haben an Stimmen gewonnen und die europäische wie deutsche Politik setzen auf immer schärfere Abschottungsmaßnahmen gegen geflüchtete Menschen. Auf der Tagung wollen wir sowohl an vorherige Fragen anknüpfen als auch eine Reflexion aktueller politischer Krisenmomente ermöglichen. Wieder möchten wir eine Plattform bieten für jene Stimmen, die für den eigenen Forschungsprozess und die eigene psychologische Praxis selbstkritisch die interdependent verstrickten Machtkonstellationen im Blick haben. Konkrete Ansätze – mit all ihren Vor- und Nachteilen – interessieren uns hierbei besonders. Wir möchten die notwendige Kritik an psychologischen Praktiken weiterentwickeln und gleichzeitig Möglichkeiten, Gelingendes und Anstrebenswertes aufzeigen. Thematisch ist die ganze Breite der Psychologie angesprochen, doch in der theoretischen Verortung distanzieren wir uns vom sog. Ideal des objektiven und standpunktlosen Wissens, welches soziale Kategorien als gegeben annimmt. Konkret können sich Beiträge auf der Tagung mit Fragen wie den Folgenden befassen:

  • Wie lassen sich queer-feministische Positionen in der Praxis der Psychotherapie oder psychologischen Beratung umsetzen?
  • Welche psychologischen Modelle bilden Anschlusspunkte an queer-feministische Ansätze?
  • Auf welche Weise lässt sich ein machtkritisches Verständnis von Sexualität und Geschlecht in empirische Methoden der Psychologie – quantitativen wie qualitativen – integrieren?
  • Wie kann eine gelungene Situierung der eigenen Position in Praxis oder Wissenschaft erfolgen? Was ist überhaupt eine gelungene Situierung?
  • Auf welche Weise können queere und feministische Perspektiven in der Psychologiegeschichte und in Analysen aktueller Psychologisierungsprozesse eine Rolle spielen?
  • Was für praktische queer-feministischen Konzepte existieren bereits in konkreten psychologischen Einrichtungen? Was sind Erfahrungen bei ihrer individuellen Umsetzung?
  • Mit welchen Strategien lässt sich die Bedeutung queer-feministischer Ansätze in den hegemonialen Wissenschaftskulturen Psychologie und den Psychotherapiewissenschaften kommunizieren?
  • Wie lässt sich mit queer-feministischen Psychologien der aktuelle Rechtsruck in vielen Gesellschaften analysieren? Auf welche Weise kann ‚neu’-rechten Tendenzen in Wissenschaft und Praxis begegnet werden? Auf was für Probleme treffen Personen, die sich politischen engagieren – und welche Unterstützungsmaßnahmen können hierbei konzipiert werden?
  • Wie lässt sich aus queer-feministischer Perspektive auf die politische und gesellschaftliche Situation während der Corona-Pandemie blicken?