Prof. Dr.-Ing. Daniel Lordick Technische Universität Dresden, Institut für Geometrie
Prof. Dr.-Ing. Viktor Mechtcherine Technische Universität Dresden, Institut für Baustoffe
Zlata Tošić, M. Sc. Technische Universität Dresden, Institut für Geometrie
Dipl.-Ing. Martin-Friedrich Eichenauer Technische Universität Dresden, Institut für Geometrie
Egor Ivaniuk, M. Sc. Technische Universität Dresden, Institut für Baustoffe
Schalen gehören aufgrund ihrer hohen Tragfähigkeit und Steifigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht und Materialeinsatz zu den effektivsten flächenbildenden Tragstrukturen. Die konsequente Umsetzung kraftadaptiver Konstruktionsprinzipien beim Bau von Schalentragwerken wird jedoch durch sehr hohe Planungs- und Herstellungskosten behindert. Im Vorhaben sollen neue Ansätze zur effektiven, industriellen, kostengünstigen Herstellung von Schalentragwerken entwickelt werden, indem diese durch zahlreiche, einander ähnliche Facetten approximiert werden. Bei Anwendung ebener Vierecks-Facettierungen entsteht so ein diskretisiertes Schalentragwerk vergleichbar einer Gitterschale, vgl. Bild 1.
Zur geometrischen Beschreibung der frei geformten Tragstrukturen sowie zu deren Facettierung werden computergestützte Algorithmen entwickelt, in denen auch Strategien zur architektonischen und konstruktiven Ausarbeitung der Module implementiert sind. Dies bildet die Grundlage für ein durchgängiges digitales Modell, mit dem sowohl die parametrische Modellierung des Tragwerkes und die Formfindung der Facetten als auch die Generierung von digitalen Datensätzen für die automatisierte Fertigung der Module abgebildet werden.
Die Module werden in eine Randzone und eine Ausfachung gegliedert. Die Randzone besteht aus ultra-hochfestem, hochduktilem Beton mit kurzen Polymerfasern und definiert in Längsachse und Querschnitt die formschlüssige Randgeometrie zu den benachbarten Modulen. Diese Betonart reagiert gutmütig auf lokale Belastungsspitzen und stellt eine hohe Robustheit des Modulrandes sicher. Die Ausfachung kann in verschiedener Weise erfolgen, was die Wandelbarkeit des Moduls erhöht. Sie soll zunächst mit einer dünnen Schicht aus textilbewehrtem Beton erfolgen. Die textile Bewehrung wird belastungsgerecht durch die Ablage von Carbongarnen hergestellt. Alternativen, wie Gitterhalbzeuge werden zusätzlich untersucht.
Die Module entstehen automatisiert in einem Fließfertigungsprozess. Der Modulrand wird schalungsfrei mit veränderlichem Querschnitt durch den Endeffektor eines Extruders ausgeformt. Die Bewehrungsgarne werden inline mit einer mineralischen Feinststoffsuspension getränkt und mit Hilfe einer Garnablageeinheit positioniert. Die Auffüllung der Ausfachung mit Beton erfolgt anforderungsgemäß. Die automatisierte Werkzeugführung ergibt sich aus dem durchgängigen digitalen Datenmodell, welches gleichzeitig der Qualitätsüberwachung dient.
Die auf Grundlage digitaler Algorithmen erlangte Freiheit in der Formgebung und die variable Materialauswahl ermöglichen die Herstellung individueller Bauteile die den Zielkonflikt zwischen ökonomischer Serienfertigung und Individualität auflösen.
Tragende Betonschalenkonstruktionen sind aufgrund ihrer hohen Tragfähigkeit und Steifigkeit in Kombination mit geringem Gewicht und minimiertem Materialverbrauch sehr effizient. Trotz aller Vorteile ist der Einsatz solcher Konstruktionen bisher nicht weit verbreitet, hauptsächlich aufgrund der Schwierigkeiten bei ihrer Planung und Konstruktion. Die Herstellung von dünnen Betonschalenkonstruktionen durch traditionelle Gießverfahren erfordert die zeitaufwendige Erstellung einer einzigartigen und sehr teuren Schalung und führt auch zu großen Mengen an Industrieabfällen, da ihre Wiederverwendung selten möglich ist.
Dieses Projekt zielt darauf ab, neue Ansätze für die effektive, industrielle und wirtschaftliche Herstellung von Schalenkonstruktionen ohne Schalung zu entwickeln, indem sie aus automatisch hergestellten vorgefertigten Modulen zusammengebaut werden. Es werden computerunterstützte Algorithmen für die geometrische Beschreibung der freiformenden Tragstrukturen und ihrer Facettierung entwickelt, in denen Strategien für die architektonische und konstruktive Ausarbeitung der Module ebenfalls implementiert sind. Um sich mit der Freiformarchitektur und ihren Eigenschaften auseinandersetzen zu können und eine produktionsorientierte Gestaltung zu schaffen, werden Methoden aus der diskreten Differentialgeometrie implementiert. Hierbei stehen die Eigenschaften des einzelnen Moduls im Fokus. In diesem Stadium werden planare Module und planare Verbindungseiten berücksichtigt (keine geometrische Torsion) sowie deren Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit. Unter anderem verwenden wir kreisförmige Mesh-Systemgenerierung (siehe Abbildung 1), Unterteilung planarer Kurven und Christoffel-Dualitätsmethoden für die Parametrisierung des Modells und weitere strukturelle und materielle Optimierung. Diese Methoden werden in Form von Algorithmen für Grasshopper implementiert, die es uns ermöglichen, die parametrisierten Modelle zu generieren und weiter zu optimieren. Das Ziel ist es, eine größere Kontrolle über den Subdivisionsprozess auf lokaler Ebene zu haben, aber auch eine breite Palette von Designs anzubieten, die sowohl vorgefertigt als auch strukturell effizient sind.
Die Vorfertigung der Module ist in fünf Teilprozesse unterteilt, von denen jeder vollautomatisch ist; siehe Abbildung 2. Im ersten Schritt wird die Kante des Moduls mit einem Strain-Hardening Cement-basierten Verbundwerkstoff (SHCC) 3D gedruckt. Dies ist ein ultrahochfestes und sehr duktiles Material, das mit kurzen Polymerfasern verstärkt ist. Die Verwendung von SHCC gewährleistet nicht nur eine hohe Tragfähigkeit und Dimensionsstabilität, sondern auch, dass sehr hohe lokale Spannungen, z.B. während des Transports und der Montage, aufrechterhalten werden können. Im zweiten Schritt wird der Innenraum des Moduls mit Beton gefüllt, der je nach verwendetem Betontyp und verfügbarer Maschinerie gepumpt, gespritzt oder gegossen werden kann.
Der dritte Schritt besteht in der Verstärkung des Betonfüllstoffs mit einem Kohlefaser-Textilgewebe. Dieses Material wurde aufgrund seiner hohen Zugfestigkeit und Beständigkeit ausgewählt. Durch seine hohe chemische Beständigkeit kann die Betonabdeckung auf wenige Millimeter reduziert werden, was die Herstellung sehr dünner Strukturen ermöglicht. Kurz vor oder während der Herstellung des Gewebes können die Garne mit einer speziell entwickelten mineralischen Mikro-Suspension beschichtet werden, die seine Haftung zur Betonmatrix sowie die Leistung der Verstärkung bei hohen Temperaturen erheblich verbessert. Im vierten Schritt wird die zweite Schicht des äußeren Rands gedruckt. Zur Fertigstellung der Modulproduktion wird im fünften Schritt der Bereich innerhalb der gedruckten Ränder mit Beton gefüllt.
Als erste Stufe zur Veranschaulichung des Potenzials der vorgeschlagenen Technologie wurde ein Demonstrator namens ConDIT 1.0 entworfen und gebaut, eine kugelähnliche Schalungsstruktur, die aus mehreren Rahmen besteht. Die Rahmenmodule wurden automatisch mit extrusionsbasiertem 3D-Druck und einem bedruckbaren SHCC hergestellt. Um die Technologie weiter zu fordern, wurde der zweite Demonstrator namens Double-Arch gebaut. Die Konstruktion besteht aus zwei gefalteten symmetrischen bogenförmigen Streifen. Die herausfordernde geometrische Aufgabe bestand darin, die gleichen Winkel zwischen den Modulflächen zu erreichen. Diesmal werden direkte Modul-zu-Modul-Verbindungen mit 7 verschiedenen Arten von Modulen hergestellt, von denen 4 mit Betonfüllung mit SCC ausgeführt sind. Eine Strukturanalyse wurde durchgeführt, um das endgültige Design des Demonstrators zu erstellen. Als nächster Schritt streben die Autoren die Gestaltung und Implementierung von Raumfachwerkstrukturen an und möchten die Möglichkeit der Vorproduktion von gebogenen Modulen integrieren.
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Awards
Best Paper Award in the category “Material Innovation and Technology” at the fib PhD Symposium 2021 in Rome
Presentations
Conference IASS Annual Symposium 2020/21 and the 7th International Conference on Spatial Structures Inspiring the Next Generation, 23 – 27 August (Online): Presentation video: https://www.youtube.com/watch?v=PLwzEuE7DXY&t=22s