Molekulargenetische Diagnostik
Neurofibromatose Typ 1 (NF1)
OMIM: 162200 (Neurofibromatosis, type 1), 601321 (Neurofibromatosis-Noonan syndrome), 162210 (Neurofibromatosis, familial spinal), 607785 (Leukemia, juvenile myelomonocytic), 613113 (Melanoma, desmoplastic neurotrophic), 193520 (Watson syndrome)
Hintergrund
Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) gehört zu den autosomal dominanten Erkrankungen und wird durch Mutationen im NEUROFIBROMIN 1-Gen (613113) ausgelöst. Bei NF1 treten multiple Café-au-Lait Flecken, Lisch-Knötchen, axilläres freckling und fibromatöse Tumore der Haut auf. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, gut- und bösartige Tumore zu entwickeln. Die Inzidenz der Erkrankung wird auf 35-40 auf 100.000 geschätzt.
In seltenen Fällen weisen Patienten mit homozygoten oder compound heterozygoten Mutationen in mismatch-Reparaturgenen (z.B. MLH1, MSH2) in der frühen Manifestationsphase milde Phänotypen, die der der NF1 ähneln, insbesondere die Café-au-Lait-Flecken. Dieses Phänomen wird als mismatch cancer syndrome oder brain tumor-polyposis syndrome-1 oder Turcot Syndrom bezeichnet.
NF1 war die erste erbliche Tumorerkrankung, deren Genetik aufgeklärt wurde. Das NF1-Gen liegt auf Chromosom 17q11.2, es kodiert für ein den intrazellulären Signalpfad modulierendes Protein. Das NF1-Gen umspannt ~400.000 Basenpaare. In einem großen Intron des NF1-Gens finden sich drei weitere Gene in entgegengesetzter Leserichtung: OMPG, EVI2A und EVI2B. Am NF1 Lokus sind Translokationen, Deletionen, Insertionen und Punktmutationen beschrieben. Die über 50 Exons des Gens codieren für verschieden große mRNAs. Der offene Leserahmen codiert für ein Polypeptid von ~2.500 Aminosäuren. Das NF1-Protein zeigt Sequenz-Homologien mit dem von Säugetieren bekannten GAP (GTPase aktivierendes Protein) und den IRA1 und IRA2 Genen der Hefe. Defekte GAPs können mitogene Signale nicht abschalten, die Zellen proliferieren unkontrolliert.
Klinik
Erste NF1-Anzeichen sind oft Café-au-Lait Flecken in den ersten Lebensjahren oder schon bei Geburt. Anzahl und Größe der Café-au-Lait Flecken korrelieren weder mit dem Schweregrad der Erkrankung noch mit der Tendenz zur bösartigen Entartung. Als klinisches Kriterium müssen mindestens 6 Café-au-Lait Flecken (Durchmesser 0,5cm vor der Pubertät; 1,5 cm nach der Pubertät). Axilliäres und inguinales freckling tritt meist zwischen dem 3.-5. Lebensjahr auf. Neurofibrome sind gutartige Schwann-Zell Tumore, die nach Lokalisation klassifiziert werden. Diese Tumore können fokal- oder diffus-kutan, nodular- oder diffus-plexiform und spinal auftreten. Ausschließlich plexiforme Tumore entarten.
Lisch-Knötchen (bei >80% der NF1-Patienten) sind kleine, rundliche, scharf begrenzte und leicht erhabene Veränderungen in der Regenbogenhaut mit hellen, gelblich-bräunlichen Farbtönen. Das Vorhandensein korreliert mit dem Schweregrad der Hautmanifestation sowie mit dem Vorliegen einer familiären NF1. Nervus opticus Gliome sind histologisch pilozytische Astrocytome und häufigste Ursache für intracranial bösartige NF1-Tumore.
Knochenfehlbildungen, welche durch Mutationen im NF1-Gen verursacht werden, bedingen kleine Statur, Skoliose, Asymmetrie des Kopfes und Tibiapseudarthrose. Bei pathologischen Frakturen oder habituellen Luxationen sind chirurgische Eingriffe notwendig.
Diagnose
Basierend auf den Richtlinien der National Institutes of Health Consensus Development Conference on Neurofibromatosis liegt eine NF1 bei einem Betroffenen vor, wenn mindestens 2 der folgenden Kriterien erfüllt sind:
- >6 Café-au-Lait Flecken
- axilläres freckling
- ≥2 Lisch-Knötchen
- Nervus opticus-Gliom
- Knochen-Fehlbildungen (s.o.)
- ≥1 an NF1 betroffenen erstgradig Verwandten
Vererbung
Die NF1 gehört zu den autosomal dominant vererbten Tumorerkrankungen. Wenn ein mutiertes Allel ererbt ist, wird die Erkrankung nach dem Prinzip des second hits (Auftreten einer 2. pathogenen Mutation auf dem Normal-Allel) ausgelöst. 50% der NF1-Fälle sind durch Neumutationen bedingt. Betroffene Elternteile vererben mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % die Erkrankung an ihre Kinder.
Therapie
Eine kausale Therapie der NF 1 ist derzeit noch nicht möglich, jedoch werden Neurofibrome und Tumore operativ entfernt (ausnahmsweise bestrahlt). Nach genauer Risiko-Nutzen-Abwägung werden üblicherweise nur solche Veränderungen entfernt, die sich bösartig entwickeln könnten. Schwere neurologische oder orthopädische Symptome, gravierende kosmetische Probleme und drohende Erblindung stellen Operationsindikationen dar.
Erforderliches Probenmaterial
- 5-10 ml EDTA-Blut (2 Proben)
EDTA-Blutproben für molekulargenetische Untersuchungen können in der Regel ungekühlt mit der Post verschickt werden.
Bitte beschriften Sie alle Probengefäße eindeutig mit Namen und Geburtsdatum des Patienten. Nicht eindeutig beschriftete Proben können nicht bearbeitet werden.
Bitte benutzen Sie unsere Anforderungsscheine (incl. Patienteneinverständnis-Erklärung). Hier können alle erforderlichen Angaben zur Anforderung von Untersuchungen eingetragen werden.
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG ist erforderlich!
Bei humangenetischen Untersuchungen ist wichtig, ob es sich um eine diagnostische Abklärung bei einem Erkrankten oder um (prädiktive) Testung einer Risikoperson auf Anlageträgerschaft für eine in der Familie bekannte Mutation handelt. Bei prädiktiven genetischen Untersuchungen ist gemäß GenDG eine vorherige genetische Beratung verpflichtend gefordert.
Methode
Die NF1-Diagnostik wird stufenweise durchgeführt. Nach der Isolation genomischer DNA aus der Blutprobe wird initial mittels MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification) die NF1-Stufendiagnostik eingeleitet. Falls keine pathogenetisch relevante Duplikation/ Deletion nachweisbar ist, wird die DNA-Sequenz aller kodierenden Bereiche inkl. angrenzender intronischer Regionen analysiert.
Dauer der Untersuchung: bis zu 4-8 Wochen nach Probeneingang
Kosten: auf Anfrage
Akkreditiertes Verfahren nach DIN EN ISO 15189:2014