Molekulargenetische Diagnostik
Nemaline Myopathie (NEM 1-8)
OMIM: 609284 (NEM1); 191030 (TPM3); 256030 (NEM2); 161650 (NEB); 161800 (NEM3); 102610 (ACTA1); 609285 (NEM4); 190990 (TPM2); 605355 (NEM5); 191041 (TNNT1); 609273 (NEM6); 613727 (KBTBD13); 610687 (NEM7); 601443 (CFL2); 615348 (NEM8); 615340 (KLHL40)
Hintergrund
Die nemalinen Myopathien sind eine klinisch und genetisch heterogene neuromuskuläre Erkrankungsgruppe mit in der Regel nicht progredienter Muskelschwäche unterschiedlichen Schweregrades. Das Manifestationsalter der NEM ist sehr variabel und wird klinisch nach Beginn und Schwere der Muskel- und Atemprobleme in mehrere Gruppen unterteilt. NEM wird sowohl autosomal-dominant wie auch autosomal-rezessiv vererbt, und Mutationen in 7 Genen wurden bisher als Ursache erkannt: TPM3 (1q22, a-Tropomyosin-3; NEM1), NEB (2q22, Nebulin; NEM2), ACTA1 (1q42.1, Skelettmuskel-Alpha-Actin; 1 NEM3), TPM2(9p13, Beta-Tropomyosin; NEM4), TNNT1 (19q13, Troponin T1; NEM5), KBTBD13 (15q22.31, Kelch Repeat and BTB/POZ Domains-Containing Protein 13; NEM6) CFL2 (14q12, Cofilin-2; NEM7) und KLHL40 (3p22.1, Kelch-Like 40; NEM8) [1; 2; 3]. Die Diagnose wird durch histologischen Nachweis von stabförmigen Strukturen, den sog. nemaline bodies (griech. nema = Faden), im Muskelbiopsat gesichert.
- Alle Gene für NEM 1-8 können mittels Sanger-Sequenzierung untersucht werden, sind aber auch Bestandteil unseres NGS-Muskelpanels.
NEM1
NEM1 ist eine meist autosomal dominant vererbte neuromuskuläre Erkrankung. Sie wird verursacht durch Mutationen im TPM3-Gen. NEM1 ist charakterisiert durch Krankheitsbeginn im frühen Kindsalter mit langsam progressiver Schwäche der Gesicht-, Halsbeuger- und proximalen Muskulatur der Gliedmaßen, Muskelhypotonie und reduzierte bis fehlende tiefer Sehnenreflexe.
Methode
Aus der Blutprobe wird genomische DNA isoliert und für Mutationsanalysen im TPM3-Gens (NEM1) werden die 14 Exons mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifiziert und unter Einschluss der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert. Damit sind die Exons der Isoformen 1 NM_152263 und 3-5 (NM_001043351-3) des TPM3-Gens mit eingeschlossen.
NEM2
NEM2 ist eine autosomal rezessive Form der Strukturmyopathien. Mutationen im 183 Exon großen NEB-Gen führen zu Störungen der Muskelstruktur, da die dünnen Filamente fehllokalisiert sind, welche notwendig sind für die korrekte Funktion der Muskelkontraktion. Dies führt bei Betroffenen zu mehr oder weniger ausgeprägter Muskelschwäche. Bei frühem Erkrankungsbeginn kann das Fehlen von NEB zum Versagen des Zwerchfells und der Atemmuskulatur führen.
Methode
Für die Mutationsanalyse wird eine „hot spot“-Analyse von 75 der 183 Exons des NEB-Gens (59 PCR-Systeme; NM_001164507; NEM2) mit angrenzenden Bereichen, in denen die ca. 100 bekannten Mutationen lokalisiert sind, mittels PCR und direkter Sequenzierung durchgeführt.
NEM3
NEM3 ist eine hauptsächlich autosomal dominante und selten autosomal rezessiv vererbte Form der oft sehr schwer verlaufenden kongenitalen Strukturmyopathien. Mit mehr als 90 beschriebenen Mutationen im ACTA1-Gen ist das Gen eine der häufigsten Ursache für eine NEM. Vor allem bei schweren Verläufen handelt es sich vorwiegend um autosomal-dominante Neumutationen. Kinder mit Defekten im ACTA1-Gen sterben oft schon im ersten Lebensjahr. Auch das „floppy infant“-Syndrom bei Kindern können unter anderem durch Defekte im ACTA1-Gen hervorgerufen werden.
Methode
Für Mutationsanalysen im ACTA1-Gens (NM_001100; NEM3) werden die 7 Exons mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifiziert und unter Einschluss des UTR und der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert.
NEM4
TPM2-Protein ist wichtig für die Calcium-abhängige Regulation der Kontraktion der gestreiften Muskel des Troponin Komplexes in Vertebraten. Mutationen im TPM2-Gen führen daher zu Strukturveränderungen im Muskel. Bei Betroffenen der autosomal dominant vererbten NEM4 ist der Krankheitsbeginn wie bei NEM1 im frühen Kindsalter und ist auch charakterisiert durch Muskelhypotonie, langsam progressive Schwäche der Gesicht-, Halsbeuger- und proximalen Muskulatur der Gliedmaßen. Zusätzlich finden sich Arthrogryposis, Lordose und Kyphoskoliose von Geburt an.
Methode
Für Mutationsanalysen im TPM2-Gens (NEM4) werden die 10 Exons mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifiziert und unter Einschluss der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert. Damit sind die Exons der Isoformen 1 (NM_003289) und 2 (NM_213674) des TPM2-Gens mit eingeschlossen.
NEM5
Die mit TNNT1 assoziierte Form der Nemalinen Myopathie (NEM5), die mit einem letalen Krankheitsverlauf innerhalb der ersten zwei Lebensjahre einhergeht, wurde bisher nur in Personen der „Old Order Amish“ Gemeinde beschrieben. Patienten mit dieser autosomal rezessiv vererbten Erkrankung zeigen Tremor mit Kontrakturen in Schulter und Hüftgelenk und entwickeln schon frühzeitig eine Trichterbrust.
Methode
Für Mutationsanalysen im TNNT1-Gens (NM_003283; NEM5) werden die 14 Exons mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifiziert und unter Einschluss der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert.
NEM6
NEM6 wird autosomal dominant vererbt, beginnt in der Kindheit und hat im Vergleich mit anderen NEM-Formen einen langsam progedienten Verlauf. Charakteristisch für NEM6-Patienten sind langsame Bewegungen und Koordinationsschwierigkeiten beim Fallen. Inzwischen wurden drei Mutationen im KBTBD13-Gens identifiziert, die zur NEM6 führen.
Methode
Für Mutationsanalysen im KBTBD13-Gens (NM_001101362; NEM6) wird das 1377 bp große Exon mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in 4 Abschnitten amplifiziert und unter Einschluss von Teilen der UTRs und der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert.
NEM7
NEM7 ist eine autosomal rezessiv vererbte congenitale Myopathie mit verzögerter motorischer Entwicklung, allgemeiner Muskelschwäche und Muskelschwund. Bei Mutationen im TPM2-Gen sind in der Muskelbiopsie charakteristische Nemalinkörper und auch Fasern mit minicores im Muskel erkennbar.
Methode
Für Mutationsanalysen im CFL2-Gens (NM_021914; NEM7) werden die 4 Exons mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifiziert und unter Einschluss der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert.
NEM8
NEM8 ist eine autosomal rezessive zumeist schwer verlaufende Form der Nemalinen Myopathie. KLHL40 ist wichtig für die Muskelentwicklung und –funktion. Krankheitszeichen erkrankter Individuen sind schwer und charakteristisch. Sie umfassen fetale Akinese, Hypokinese, Kontrakturen und Frakturen, Atemprobleme und Schluckstörungen nach der Geburt.
Methode
Für Mutationsanalysen im KLHL40-Gens (NM_152393; NEM8) werden die 6 Exons mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) amplifiziert und unter Einschluss der konservierten Exon/Intron-Grenzen direkt sequenziert.
NGS (next generation sequencing) Exombasierte Panel-Analyse
Zusätzlich sind die o.g. Gene Bestandteil unseres NGS-Muskelpanels. Diese Panelanalyse kann momentan nur auf Anfrage und nach Einzelfallgenehmigung durch die Krankenkassen durchgeführt werden.
Erforderliches Probenmaterial
- 5-10 ml EDTA-Blut (2 Proben)
EDTA-Blutproben für molekulargenetische Untersuchungen können in der Regel ungekühlt mit der Post verschickt werden.
Bitte beschriften Sie alle Probengefäße eindeutig mit Namen und Geburtsdatum des Patienten. Nicht eindeutig beschriftete Proben können nicht bearbeitet werden. Bitte benutzen Sie unsere Anforderungsscheine (incl. Patienteneinverständnis-Erklärung). Hier können alle erforderlichen Angaben zur Anforderung von Untersuchungen eingetragen werden.
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG ist erforderlich!
Bei humangenetischen Untersuchungen ist wichtig, ob es sich um eine diagnostische Abklärung bei einem Erkrankten oder um (prädiktive) Testung einer Risikoperson auf Anlageträgerschaft für eine in der Familie bekannte Mutation handelt. Bei prädiktiven genetischen Untersuchungen ist gemäß GenDG eine vorherige genetische Beratung verpflichtend gefordert.
Dauer der Untersuchung: bis zu 4 Wochen nach Probeneingang
Kosten: auf Anfrage
Weitere Informationen zur Nemalinen Myopathie:
[1] Datenbank NCBI GeneReviews
[2] KBTBD13: Sambuughin et al 2010
[3] KLHL40: Ravenscroft et al 2013
Akkreditiertes Verfahren nach DIN EN ISO 15189:2014 ; gilt nur für NEM 1