Molekulargenetische Diagnostik

Hereditäre Spastische Paraplegie (HSP/SPG)
OMIM: 182600 (SPG3A), 182601 (SPG4), 607259 (SPG7), 604360 (SPG11), 610250 (SPG31)

Synonyme

  • Familiäre Spastische Paraplegie (FSP)
  • Spastische Paraplegie (SPG)
  • Spastische Spinalparalyse (SSP)

Hintergrund

Bei den HSP handelt es sich um eine klinisch und genetisch heterogene Gruppe von Erkrankungen, die mittlerweile 48 Unterformen umfasst, und deren genetische Ursache noch nicht bei allen Formen bekannt ist. Klinisch lassen sich die verschiedenen Formen in zwei Untergruppen, in die reine/unkomplizierte und in die komplizierte HSP unterteilen. Die klinischen Symptome der reinen/unkomplizierten Form sind:

  • Spastische Tonuserhöhung der Muskulatur der unteren Extremitäten
  • Gesteigerte Muskeleigenreflexe
  • Positives Babinski-Zeichen
  • Muskelschwäche
  • Reduziertes Vibrationsempfinden
  • Blasenentleerungsstörung

Zusätzlich können bei der komplizierten Form weitere Symptome auftreten. Hierzu zählen:

  • Mentale Retardierung
  • Epilepsie
  • Demenz
  • Ataxie
  • Taubheit
  • Opticusatrophie
  • u.a.

Die Ausprägung der klinischen Symptomatik ist sehr variabel, sowohl bei Betroffenen innerhalb derselben Familie wie auch zwischen unverwandten Patienten. Die HSP kommt sowohl bei Frauen sowie Männern vor und kann in jedem Alter beginnen. Man findet einen Erkrankungsgipfel vor dem 6. Lebensjahr und einen zweiten zwischen 20 bis 40.

Genetik

Die Erkrankung kann dem autosomal dominanten (70-80%), dem autosomal rezessiven (20%) oder dem X-chromosomal rezessiven (selten) Erbgang folgen. Bei 40% der Familien mit autosomal dominanter (mehrere Betroffene Familienmitglieder in mehreren Generationen) HSP werden Mutationen im Spastin-Gen (SPG4) nachgewiesen. In bis zu 10 % der Familien werden Mutationen im Atlastin-Gen (SPG3) und in 6% der Fälle Mutationen im REEP1-Gen (SPG31) nachgewiesen, wobei bei den Typen 3 und 31 häufiger erste Symptome bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten. Bei sporadischen Fällen (nur ein Fall in der betreffenden Familie bekannt) werden Mutationen in diesen Genen seltener nachgewiesen (Neumutation oder Familiengeschichte unbekannt).

Sind mehrere Geschwister betroffen oder liegt ein verwandtschaftliches Verhältnis der Eltern vor, kann die Untersuchung des Paraplegin-Gens (SPG7, autosomal rezessiver Erbgang) sinnvoll sein. Liegen bei einem Patienten neben der Spastik noch zusätzliche typische Symptome, inklusive Auffälligkeiten in der Bildgebung des Kopfes (v.a. dünner Balken) vor, kann es sich um eine SPG 11 (Spatacsin-Gen) handeln.

Tabelle 1: Übersicht der bisher bekannten Loci und Gene

Name OMIM-Nr. Genlocus Vererbung Protein Form
SPG1 303350 Xq28 X-Chr. L1CAM k
SPG2 312920 Xq22 X-Chr. PLP1 r + k
SPG3A 182600 14q11-q21 AD Atlastin r
SPG4 182601 2p22-p21 AD Spastin r + k
SPG5A 270800 8q21.3 AR CYP7B1 r + k
SPG6 600363 15q11.1 AD NIPA1 r
SPG7 607259 16q24.3 AR Paraplegin r + k
SPG8 603563 8q24.13 AD Strumpellin r
SPG9 601162 10q23.3-q24.2 AD unbekannt k
SPG10 604187 12q13 AD KIF5A r + k
SPG11 604360 15q21.1 AR Spatacsin k
SPG12 604805 19q13 AD unbekannt r
SPG13 605280 2q33.1 AD HSP60 r
SPG14 605229 3q27-q28 AR unbekannt k
SPG15 270700 14q24.1 AR Spastizin k
SPG16 300266 Xq11.2-q23 X-Chr. unbekannt r + k
SPG17 270685 11q13 AD Seipin k
SPG18 611225 8p12-p11.21 AR unbekannt k
SPG19 607152 9q33-q34 AD unbekannt r
SPG20 275900 13q12.3 AR Spartin k
SPG21 248900 15q21-q22 AR Maspardin k
SPG22* (300523) (Xq21) (X-Chr.) (k)
SPG23 270750 1q24-q32 AR unbekannt k
SPG24 607584 13q14 AR unbekannt r
SPG25 608220 6q23.3-q24.1 AR unbekannt k
SPG26 609195 12p11.1-12q14 AR unbekannt k
SPG27 609041 10q22.1-q24.1 AR unbekannt r + k
SPG28 609340 14q21.3-q22.3 AR unbekannt r
SPG29 609727 1p31.1-p21.1 AD unbekannt k
SPG30 610357 2q37.3 AR unbekannt k
SPG31 610250 2p11.2 AD REEP1 r + k
SPG32 611252 14q12-q21 AR unbekannt k
SPG33 610244 10q24.2 AD ZFYVE27 r
SPG34 300750 Xq24-q25 X-Chr. unbekannt r
SPG35 612319 16q21-q23.1 AR FA2H (?)* k
SPG36 613096 12q23–q24 AD unbekannt k
SPG37 611945 8p21.1-q13.3 AD unbekannt r
SPG38 612335 4p16-p15 AD unbekannt k
SPG39 612020 19p13.3 AR PNPLA6 k
SPG40 noch keine Daten vor-
SPG41 613364 11p14.1-p11.2 AD unbekannt r
SPG42 612539 3q25.31 AD SLC33A1 r
SPG43 19p13.11-q12 AR unbekannt k
SPG44 613206 1q41-q42 AR GJC2 k
SPG45 613162 10q24.3-q25.1 AR MRPL43(?)* k
SPG46 9p21.2-q21.12 AR unbekannt k
SPG47 1p13.2-1p12 AR unbekannt k
SPG48 613647 7p22.1 AR KIAA0415 k(?)

 
Legende: AD = autosomal dominant; AR = autosomal rezessiv; klin. = klinisches;
k = kompliziert; OMIM = Online Mendelian Inheritance in Man; r = rein;
X-Chr. = X-chromosomal rezessiv; * = genauere Untersuchungen sind noch notwendig
 

Erforderliches Probenmaterial

  • 5-10 ml EDTA-Blut (2 Proben)

EDTA-Blutproben für molekulargenetische Untersuchungen können in der Regel ungekühlt mit der Post verschickt werden.
Bitte beschriften Sie alle Probengefäße eindeutig mit Namen und Geburtsdatum des Patienten. Nicht eindeutig beschriftete Proben können nicht bearbeitet werden. Bitte benutzen Sie unsere Anforderungsscheine (incl. Patienteneinverständnis-Erklärung). Hier können alle erforderlichen Angaben zur Anforderung von Untersuchungen eingetragen werden.

Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG ist erforderlich!

Bei humangenetischen Untersuchungen ist wichtig, ob es sich um eine diagnostische Abklärung bei einem Erkrankten oder um (prädiktive) Testung einer Risikoperson auf Anlageträgerschaft für eine in der Familie bekannte Mutation handelt. Bei prädiktiven genetischen Untersuchungen ist gemäß GenDG eine vorherige genetische Beratung verpflichtend gefordert.

Methode

Aus der Blutprobe wird genomische DNA isoliert und das entsprechende Gen / die entsprechenden Gene mittels direkter DNA-Sequenzierung und MLPA-Analyse (für größere Stückverluste) untersucht. Die SPG-Gene sind verschieden groß, das SPG4-Gen besteht z.B. aus 17 Exons (DNA-Stücken), das SPG3-Gen aus 14 Exons, das SPG31-Gen aus 7 Exons, das SPG7-Gen aus 17 Exons und das SPG11-Gen aus 40 Exons. Zusätzlich sind die Gene Bestandteil unseres NGS-Paraplegiepanels.

Dauer der Untersuchung: 8 bis 10 Wochen nach Probeneingang (pro unters. Gen)
Kosten: auf Anfrage, bei gesetzlich Versicherten Personen kann die Analyse über einen Überweisungsschein abgerechnet werden

Akkreditiertes Verfahren nach DIN EN ISO 15189:2014

 

Diagnostik

  • Dr. rer. nat. Gabriele Dekomien 
    Humangenetik
    Gebäude MA 5
    Ruhr-Universität
    Universitätsstraße 150
    44801 Bochum
    Germany

    Tel.: +49 (0)234/32-25764
    Fax: +49 (0)234/32-14196
    gabriele.dekomien@rub.de
  • Sekretariat 
    Humangenetik
    Gebäude MA 5
    Ruhr-Universität
    Universitätsstraße 150
    44801 Bochum
    Germany

    Tel.: +49 (0)234/32-23839
    Fax: +49 (0)234/32-14196