Molekulargenetische Diagnostik

Hereditäre motorisch-sensible Neuropathien (HMSN Typ I, II und Typ III) & hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen (HNPP)

OMIM: 118220 (HMSN I A), 118200 (HMSN I B), 601098 (HMSN I C), 607678 (HMSN I D), 118300 (HMSN I E), 609260 (HMSN II A2), 607677 (HMSN II I), 607736 (HMSN II J), 606595 (HMSN II F), 608673 (HMSN II L), 145900 (HMSN III), 302800 (HMSN X1), 162500 (HNPP)

Hintergrund

Die hereditären motorisch-sensiblen Neuropathien (HMSN), auch als Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung bezeichnet, lassen sich unter klinischen und genetischen Aspekten in verschiedene Untergruppen einteilen. Charakteristisch ist bei allen Formen eine progressive Schwäche und Lähmung der unteren Extremität, die sich auch auf die obere Extremität ausweiten kann. Dazu kommen Sensibilitätsstörungen. Bei einer peripheren Neuropathie müssen jedoch auch die aber sehr häufigen, exogenen Ursachen ausgeschlossen werden (z.B. Alkohol-Abusus, diabetische Neuropathie und viele andere).

Durch die Bestimmung der motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) kann eine Einteilung in demyelinisierende und axonale Formen vorgenommen werden. Bei den demyelinisierenden Formen (Typ I+III) ist die NLG stark vermindert, bei den axonalen Formen (Typ II) in der Regel nicht.

1) HMSN Typ I (demyelinisierend)

Als HMSN Typ I werden autosomal dominante, demyelinisierende Formen der HMSN bezeichnet. Klinisch findet man charakteristische Deformationen der Füße in Form von Hohlfußbildung und Krallenzehen. Hinzu kommen charakteristische „Storchenbeine“. Insgesamt verläuft die Erkrankung langsam progressiv. Histopathologisch findet man die Zeichen einer demyelinisierenden peripheren Neuropathie mit sog. „onion bulbs“, d. h. Zwiebelschalen-Konformation durch De- und Remyelinisierung. Elektrophysiologie: stark reduzierte NLG.

HMSN I A: Dies ist die häufigste Form der HMSN. Ursächlich ist meist eine Duplikation des PMP22-Gens. Es kodiert für das peripheral myelin protein, welches in den Myelinscheiden exprimiert wird. In seltenen Fällen wurden auch Punktmutationen in diesem Gen gefunden (HMSN I E).

Weitere Formen der HMSN Typ I:

HMSN I B: Mutationen im MPZ/P0-Gen; HMSN I B kann bezüglich der NLG auch auf eine axonale Form hindeuten.

HMSN I C: Mutationen im LITAF/SIMPLE-Gen

HMSN I D: Mutationen im EGR2-Gen

HMSN I E: Mutationen im PMP22-Gen

2) HMSN Typ III (Déjérine-Sottas-Syndrom)

Mit Déjérine-Sottas-Syndrom wurde eine besonders schwere Verlaufsform der HMSN Typ I bezeichnet mit Manifestation bereits in der frühen Kindheit. Es gibt sowohl autosomal dominante wie auch rezessive Formen. Beim Déjérine-Sottas-Syndrom wurden Mutationen in den Genen PMP22, MPZ, EGR2 und PRX gefunden. Diese Gene können auch bei anderen, leichteren Verlaufsformen von HMSN verändert sein.

3) HMSN Typ II (axonal)

Als Typ II werden die axonalen Formen der HMSN bezeichnet, bei denen die NLG in der Regel nicht verringert ist. Die HMSN Typ II folgt einem autosomal dominanten Vererbungsmodus. Mutationen im MFN2-Gen sind die häufigsten bekannten Ursachen einer HMSN Typ II.

Allerdings wird in Bezug auf die NLG die phänotypisch eher axonale Form häufig durch Mutationen in den Genen GJB1/Cx32 (X-chromosomale Vererbung) und MPZ/P0 verursacht. In Abhängigkeit von der Familienanamnese und der Symptomatik kann es sinnvoll sein, erst die GJB1/Cx32- und MPZ/P0-Gene zu untersuchen.

Bei Verdacht auf axonale Neuropathie wird erst die Untersuchung des GJB1/Cx32-Gens empfohlen. Liegt eine Vererbung von Vater zu Sohn vor, sollte zuerst das MPZ/P0-Gen untersucht werden. Bei weiterhin bestehendem Verdacht auf eine eher axonale Form ist eine Untersuchung des MFN2-Gens sinnvoll (nach Rücksprache).

Eine seltene Ursache der axonalen HMSN mit überwiegend motorischer Komponente stellt die HMSN Typ II L dar. Dieser Typ wird durch Mutationen im HSPB8/HSP22-Gen verursacht, welches für das small 22kDa heat shock Protein kodiert. Mutationen in diesem Gen können auch für die distale hereditäre motorische Neuronopathie Typ II A (dHMN2A) ursächlich sein, beide Krankheitsbilder weisen einen überlappenden Phänotyp auf. Die HMSN Typ II F wird durch Mutationen im HSPB1/HSP27-Gen verursacht, welches für das small 27kDa heat shock Protein kodiert. Die Untersuchung der beiden small heat shock protein-Gene kann nach Rücksprache durchgeführt werden.

HMSN II A2: Mutationen im MFN2-Gen

HMSN II F: Mutationen im HSPB8/HSP22-Gen

HMSN II I/J: Mutationen im MPZ/P0-Gen

HMSN II L: Mutationen im HSPB1/HSP27-Gen

4) X-chromosomal vererbte HMSN / HMSN X1

Mutationen im GJB1/Cx32-Gen, welches für das Connexin32-Protein kodiert, sind die zweithäufigste Ursache hereditärer Neuropathien. Diese Form wird dominant vererbt, es findet keine Vererbung von Vater zu Sohn statt. Die NLG von Patienten mit HMSN X1 variieren interindividuell aber auch intraindividuell sehr stark und können im Bereich der HMSN I oder der HMSN II liegen. Generell ist bei Männern meist eine schwerere Ausprägung, bei Frauen ein meist milderer Verlauf der HMSN X1 charakteristisch.

5) Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen / HNPP

Bei dieser Erkrankung, auch tomakulöse Neuropathie genannt, kommt es zu intermittierenden Paresen, insbesondere bei mechanischer Belastung. Dazu kommt ein charakteristisches histologisches Bild in der Nervenbiopsie. Die Erkrankung wird autosomal dominant vererbt und häufig durch eine Deletion im Bereich des PMP22-Gens (siehe HMSN Typ IA), seltener durch eine Punktmutation im PMP22-Gen verursacht.

Erforderliches Probenmaterial

  • 5-10 ml EDTA-Blut (2 Proben)

EDTA-Blutproben für molekulargenetische Untersuchungen können in der Regel ungekühlt mit der Post verschickt werden.
Bitte beschriften Sie alle Probengefäße eindeutig mit Namen und Geburtsdatum des Patienten. Nicht eindeutig beschriftete Proben können nicht bearbeitet werden. Bitte benutzen Sie unsere Anforderungsscheine (incl. Patienteneinverständnis-Erklärung). Hier können alle erforderlichen Angaben zur Anforderung von Untersuchungen eingetragen werden.

Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG ist erforderlich!

Bei humangenetischen Untersuchungen ist wichtig, ob es sich um eine diagnostische Abklärung bei einem Erkrankten oder um (prädiktive) Testung einer Risikoperson auf Anlageträgerschaft für eine in der Familie bekannte Mutation handelt. Bei prädiktiven genetischen Untersuchungen ist gemäß GenDG eine vorherige genetische Beratung verpflichtend gefordert.

Methode

HMSN Typ I, II und X / HNPP

Multiplex ligation dependent probe amplification (MLPA) - Duplikations- bzw. Deletions-screening in den Genen: PMP22 (HMSN I A/HNPP), MPZ/P0 (HMSN I B bzw. II I/J), MFN2 (HMSN II A2), GJB1/Cx32 (HMSN X1)

Punktmutationssuche in den Genen: MPZ/P0 (HMSN I B bzw. II I/J), LITAF/SIMPLE (HMSN I C), EGR2 (HMSN I D), PMP22 (HMSN I E), MFN2 (HMSN II A2), HSPB8/HSP22 (HMSN II F), MPZ/P0 (HMSN II I/J), HSPB1/HSP27 (HMSN II L), GJB1/Cx32 (HMSN X1)

Zusätzlich sind die Gene Bestandteil unseres NGS-Neuropathiepanels.

HMSN Typ III

Punktmutationssuche in den Genen: PMP22-, MPZ- und EGR2-Gen

Die genetische Abklärung der klinischen Verdachtsdiagnosen HMSN Typ I, II, III bzw. HNPP erfolgt stufenweise nach Rücksprache.

Dauer der Untersuchung: variiert je nach Anforderung; bis zu 8 Wochen nach Probeneingang
Kosten : auf Anfrage

Akkreditiertes Verfahren nach DIN EN ISO 15189:2014

 

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