Promotionsvorhaben

Überwachung und Demokratie. Die Computerisierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zwischen Sicherheitsproduktion und Freiheitsforderungen, 1965-1990

In meiner Dissertation untersuche ich die Geschichte der Überwachung in der Bundesrepublik Deutschland von den 1960er Jahren bis zum Ende des Kalten Krieges. Ziel dieser Arbeit ist es zum einen die Veränderungen, die auf staatlicher Seite mit dem Wandel von analogen zu digitalen Überwachungsmöglichkeiten in diesem Zeitraum einhergingen, und zum anderen den zeitgleich einsetzenden gesellschaftlichen Überwachungsdiskurs in seinen Phasen, Wechselwirkungen und Funktionsweisen zu untersuchen. Dabei frage ich, wie sich technische Überwachung und öffentliche Debatte darüber im Untersuchungszeitraum zueinander verhielten und wie sich dieses Verhältnis wandelte.
Den zentralen Untersuchungsgegenstand für die Studie bildet das computerbasierte Datenbanksystem NADIS, das ab 1965 im inländischen Nachrichtendienst der Bundesrepublik, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, geplant und ab 1970 sukzessive in Betrieb genommen wurde. Die Einführung des „Nachrichtendienstlichen Informationssystems“ (NADIS) eignet sich in besonderem Maße als Ausgangspunkt: Hier manifestierte sich der in liberalen Demokratien existierende Grundkonflikt zwischen dem mit dem staatlichen Sicherheitsversprechen begründeten Sammeln privater Daten durch Sicherheitsdienste und den entgegengesetzten Forderungen der Öffentlichkeit nach Schutz privater Informationen sowie Überprüfbarkeit staatlicher Handlungen. Deshalb wird anhand des Auf- und Ausbaus des Computersystems im Verfassungsschutz auf der einen Seite der Wandel der staatlichen Überwachungspraxis, der mit der Umstellung auf das digitale Erfassungssystem einherging, untersucht. Auf der anderen Seite analysiere ich den in Reaktion auf die Einführung des NADISeinsetzenden öffentlichen Überwachungsdiskurs und dessen Vorläufer seit Mitte der 1960er Jahre bis zum Ende des Kalten Krieges 1990.

Publikationen (inkl. Rezensionen und Tagungsberichte)

  • Eliminating the Human Factor? Perceptions of Digital Computers at the German Domestic Intelligence Service, in: Rüdiger Bergien, Debora Gerstenberger, Constantin Goschler (Hgg.): Intelligence Agencies, Technology and Knowledge Production. Data Processing and Information Transfer in Secret Services during the Cold War (erscheint im Februar 2022).

  • Vorflut und Volksgemeinschaft. Emschergenossenschaft und Lippeverband im Nationalsozialismus, in: Geschichte im Westen 36/2021, S. 121-145.

  • Fluss in Sicht. Methodisch-konzeptionelle Herausforderungen und Möglichkeiten einer Organisationsgeschichte der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes, in: Marcus Böick/Marcel Schmeer (Hgg.): Im Kreuzfeuer der Kritik. Umstrittene Organisationen im 20. Jahrhundert, Frankfurt/New York 2020, S. 239-260 (zusammen mit Eva Balz).

  • Fließende Grenzen. Abwasserpolitik zwischen Demokratie und Diktatur. Emschergenossenschaft und Lippeverband 1930-1960, Essen 2020 (zusammen mit Eva Balz).

  • The 'Traube Affair': Transparency as a Legitimation and Action Strategy between Security, Surveillance and Privacy, in: Stefan Berger/Dimitrij Owetschkin (Hgg.): Contested Transparencies, Social Movements and the Public Sphere. Multi-Disciplinary Perspectives. Palgrave Macmillan, Cham 2019, S. 173-196 (zusammen mit Marcel Schmeer).

  • »… die elektronisch erzeugte Schuldvermutung«? Die Auseinandersetzung um das »Nachrichtendienstliche Informationssystem« des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in: Thomas Großbölting und Sabine Kittel (Hgg.): Welche »Wirklichkeit« und wessen »Wahrheit«? Das Geheimdienstarchiv als Quelle und Medium der Wissensproduktion, Göttingen 2019, S. 125-148.

  • Sicherheit, Demokratie und Transparenz. Elektronische Datenverbundsysteme in der Bundesrepublik und den USA in den 1970er und 1980er Jahren, in: Frank Bösch (Hg.): Wege in die digitale Gesellschaft. Computernutzung in der Bundesrepublik 1955-1990, Göttingen 2018, S. 64-85 (zusammen mit Constantin Goschler und Jens Wegener).

  • Rezension zu: Mangold, Hannes: Fahndung nach dem Raster. Informationsverarbeitung bei der bundesdeutschen Kriminalpolizei, 1965–1984, Zürich 2017, in: H-Soz-Kult, 22.02.2018. [Online-Version]

  • Tagungsbericht: Speichern – Zur Geschichte einer Grundfunktion der Technik, 15.02.2018 – 16.02.2018 Bochum, in: H-Soz-Kult, 28.05.2018. [Online-Version]

  • Tagungsbericht: Leben im Paradigma des Verhaltens. Verhaltensbeobachtungen und Verhaltensregulierungen im 20. Jahrhundert, 04.12.2015 - 05.12.2015 Potsdam, in: H-Soz-Kult, 10.03.2016. [Online-Version]

  • Tagungsbericht (zusammen mit Julia Reus): Ein „Trend“ ohne „Turn“? Neue Perspektiven auf die Organisationsgeschichte, 03.07.2015 Bochum, in: H-Soz-Kult, 11.12.2015. [Online-Version]