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M.A. Kira Schmidt Stiedenroth

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Unani Medicine im heutigen Indien: Institutionelle Entwicklung und gegenwärtige Praxis

Dieses medizinethnologische Teilprojekt versucht zu klären, was die Unani Medicine in Indien, sowohl in der Praxis als auch in ihren Darstellungen, heute ausmacht. Hierfür wurde eine ethnographische Feldforschung, in zwei Aufenthalte geteilt, betrieben, bei mehreren Institutionen und Praktizierenden in verschiedenen indischen Städten.

Aus historischen Gründen wird die Unani Medicine in Südasien häufig mit muslimischen Gesellschaften in Verbindung gebracht und, in der Tat, sind die meisten Unani Praktizierenden (auch Hakims genannt) in Indien Muslime. Doch in welchem Verhältnis steht die heutige Unani Medicine zum Islam? Die „neueren“ Generationen von Praktizierenden wurden in einem der über 40 offiziell anerkannten Unani Colleges ausgebildet, aber nach wie vor gibt es sogenannte „traditionelle Hakims“, die keine förmliche medizinische Ausbildung haben und ihr Wissen und ihre Erfahrung hauptsächlich im Kontext einer familiären Tradition erlangt haben. Dies ist einer der Gründe, warum die Praxis der Unani Medicine heute so heterogen ist. Der Einfluss der Biomedizin (in Indien als allopathy bezeichnet) ist in der heutigen Praxis ebenso zu erkennen wie ein ambivalentes Verhältnis zu Ayurveda, einer ebenfalls offiziell anerkannten und in Indien verbreiteten Medizinform. Neben der oben genannten Institutionalisierung von Unani-Ausbildung und Praxis und der medizinischen Pluralität, die das Gesundheitswesen und das Gesundheitsverhalten der Patienten in Indien prägt, stellt die Vermarktung und Darstellung von Unani Medicine als Komplementär- und Alternativmedizin eine weitere Entwicklung dar, die zum Verständnis der heutigen Unani-Praxis relevant ist.

Ein weiteres Thema dieses Projektes ist das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis. So soll geklärt werden, ob und wie die Praktizierenden sich auf historische Medizinwerke beziehen, auf die offizielle Vertreter der Unani Medicine großen Wert legen. Dabei geht es nicht um die „Authentizität“ der medizinischen Praxis, sondern um die Prozesse der Legitimierung und Disqualifizierung, der Inklusion und Exklusion. Unani Medicine wird hier deshalb nicht nur als eine Form des Heilens verstanden, sondern viel mehr als eine Plattform, auf der Ideen, Wissen und Autorität artikuliert und verhandelt werden. Dabei stehen die Ansichten und Praktiken der Vertreter, der Praktizierenden und der Patienten im Mittelpunkt der Analyse.