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Das Teilprojekt analysiert die Entwicklung der Frauenheilkunde und Hygiene und der weiblichen und männlichen Rollenverständnisse seit dem 19. Jahrhundert. Sowohl inhaltlich als auch thematisch schließt es an das Teilprojekt von Dr. Susanne Kurz an, so dass durch die beiden Projekte umfassender Beitrag zur Medizingeschichte, zu Körperkonzepten und Sexualethik vom 15. bis zum 20. Jahrhundert geschlagen werden kann. Diese Zeitperiode kennzeichnet gleichzeitig den langsamen Übergang von Persisch zu Urdu als Wissenschaftssprache in Indien. Im Fokus dieses Teilprojektes steht die medizinisch-moralische Ratgeberliteratur für Frauen. Diese wendet sich teilweise ausschließlich an Frauen, wie beispielsweise an Bräute (Tuḥfa-ye dulhā „Geschenk für die Braut“), adressiert teilweise aber nur indirekt ein weibliches Publikum.
Vor allem die Werke der Tradition des Kōkashāstra („Die Lehren Kōkas“) spiegeln deutlich die Veränderungen der Konzepte von Frauenkrankheiten und Sexualität wider (Siehe Teilprojekt 1 von Dr. Susanne Kurz). Das Kōkashāstra umfasst sowohl die aus dem Sanskrit ins Urdu übertragenen Traditionen des Kāmasūtra (ca. 4.–6. Jh.) als auch deren persische Bearbeitungen, die unter dem Namen Lazzat al-nisa’ („Lustgewinn durch/für Frauen“) bekannt sind. Waren die zuvor genannten Schriften noch auf die Sexualität zum Zweck des Lustgewinnes fokussiert, geht es bei den Urdu-Adaptionen des Kōkashāstra seit dem 19. Jahrhundert primär um Sexualität zum Zweck der Reproduktion. Im Kōkashāstra lassen sich Elemente der Unani Medicine, der indischen Medizin und der islamischen Ethik finden. Diese Schriften sind aus islamwissenschaftlicher Perspektive völlig unerforscht und stehen inhaltlich zum Teil im Widerspruch zur islamischen Ratgeberliteratur.
Insgesamt lassen sich seit dem 19. Jh. verstärkte Bemühungen seitens der Gelehrten und der Hakims feststellen, Frauen auf ihre Rolle als Ehefrauen und Mütter vorzubereiten. Vor allem Gelehrte der seit dem 19. Jh. entstehenden reformistischen Bewegungen erstellten Rechtsgutachten oder ganze Werke (z. B. Bihishtī Zewār, „Himmlische Ornamente“), in denen sich Vorstellungen von Körper, Sexualität und Schwangerschaft wiederfinden. Derartige Ratgeberliteratur erhielt prominente Unterstützung seitens muslimischer Aristokratinnen, die ebenfalls begannen, Schriften zu Hygiene und Haushaltsführung zu verfassen. Als besonders herausragende Beispiele gelten die Begums von Bhopal, die insgesamt mehr als 30 – auch ins Englische übersetzte – Werke zu Kindererziehung, Pflichten der Ehepartner, Hygiene und Kindererziehung verfassten. Auch diese Schriften sind bislang wissenschaftlich weitestgehend unerschlossen. Zudem ist der Zusammenhang mit ähnlichen Publikationen aus dem britischen Kontext, z. B. von Missionaren, Ärzten oder Kolonialbeamten und deren Ehefrauen zu untersuchen. Inhaltlich betrachtet geht es in diesem Projekt darum, Vorstellungen vom weiblichen Körper im Spannungsfeld von Unani-Medicine, islamischer Ratgeberliteratur und Viktorianischen Moralvorstellungen zu analysieren. Frauen verkörpern soziokulturelle Normen von Reinheit und Gesundheit, wobei der weibliche Körper mit dem Einsetzen der Menarche männlicher Kontrolle und damit einem strengen Regimen unterworfen ist. Dieses zeigt sich beispielsweise an Regelungen zur Kontrolle der Menstruation, der Schwangerschaft oder der sexuellen Begierde (shahwat). Vor allem Vorstellungen von „Reinheit“ und „Verunreinigung“, die beseitigt werden muss, prägen sowohl Kōkashāstras als auch andere Beispiele der Ratgeberliteratur. In diesem Teilprojekt soll die Entwicklung dieser Vorstellungen nachgezeichnet werden und anhand mit Texten aus der indischen, der graeco-islamischer Medizin und der britischen „allopathy“ verglichen werden.
Einen zweiten Schwerpunkt dieses Teilprojektes bilden Untersuchungen zu den so genannten Regimentaltherapien (‘ilāj bil-tadbīr), vor allem zum „türkischen Bad“, dem Hammam. Die Wiederentdeckung des Hammam in Indien kann sich zukünftig auch für den globalen Medizintourismus von Bedeutung erweisen.
Lecture: “Being a good mother: hifz-e sehat, tibb-e yunani & ‘dakhtari’ in the works of the Begums of Bopal (19th–20th centuries),” International Conclave on Unani Medicine: Strength and Strategies of Globalization, 25th–26th March 2011, Aligarh Muslim University
International Conclave on Unani Medicine: Strength and Strategies of Globalization, 25th–26th March 2011, Aligarh Muslim University
History, Culture and Science: Asian and European Perspectives on Complementary and Alternative Medicine (CAM), 12th–16th March 2012, Ruhr University Bochum
Imaging South Asian Culture: Reconstructing the popular Textual & Visual Representations, 9th–10th January 2014, Jamia Millia Islamia, New Delhi
National Summit of Unani Medicine: Challenges & Opportunities, 20th October 2011, AYUSH Practioniers of J & K, University of Kashmir, Srinagar
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