#SemesterUnvereinbar - Offener Brief „Mehr Familienfreundlichkeit an Hochschulen – Anpassung der Vorlesungs- und Prüfungszeiten an die Schulferien“
An das Ministerium für Kultur und Wissenschaft und den Landtag NRW sowie
an die Landesrektoren- und die Kanzlerkonferenzen von Universitäten und Hochschulen für
angewandte Wissenschaften NRW,
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesem offenen Brief fordern wir die Landesregierung, den Landtag und die
Hochschulleitungen in NRW dazu auf, das Thema „Anpassung der Vorlesungs- und
Prüfungszeiten an die Schulferien“ aufzugreifen und zeitnah zu einer konstruktiven Lösung zu
führen.
Für viele Familien in NRW ist es ein großes Problem, dass sich die Schulferien und die
vorlesungsfreien Zeiten an den Hochschulen kaum überschneiden. Wenn sie sich überlappen,
liegen zu oft auch noch die Prüfungszeiträume genau dort, wo Schulferien sind. Studierende,
Hochschulbeschäftigte und Professor:innen haben große Schwierigkeiten ihre familiären
Verpflichtungen und das Familienleben mit den derzeitigen Anforderungen an den
Hochschulen in Einklang zu bringen. Während der Vorlesungszeit ist vielen der Betroffenen
ein Urlaub gesetzlich untersagt oder aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens gerade zu
Beginn und Ende der Vorlesungszeit unmöglich.
Am 19. April 2023 fand im Landtag eine Anhörung zu diesem Thema statt. Alle geladenen
Sachverständigen waren sich darüber einig, dass Handlungsbedarf besteht. Vier wesentliche
Änderungen sind notwendig, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Studium an
den Hochschulen in NRW verbessert wird:
- Der Beginn des Semesters und der Vorlesungszeit an den Universitäten muss nach vorne verlegt werden, wie es an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften bereits üblich ist. So würde beispielsweise das Wintersemester einheitlich am 1. September beginnen.
- Die Prüfungsphasen an den Hochschulen müssen flexibilisiert werden, um Überschneidungen mit den Schulferien zu minimieren. Gerade in Fächern mit vielen Klausuren ist dies wichtig.
- Wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen muss es erlaubt sein, in der Vorlesungszeit Urlaub zu nehmen. Dazu sollte der Verweis auf § 121 Absatz 2 Landesbeamtengesetz aus § 44 Abs. 9 Hochschulgesetz gestrichen werden.
- Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften müssen während den Oster- und Herbstferien das Lehrangebot flexibler gestalten, damit Beschäftigte und Studierende Zeit für Familienaktivitäten haben.
Diese Verbesserungen würden vielen Menschen auf allen Ebenen der Hochschulinfrastruktur zu Gute kommen:
- 7,8 Prozent der Studierenden in NRW haben Kinder – das sind rund 60.000 Studierende in NRW [1,2].
- 28,6 Prozent der Beschäftigten im akademischen Mittelbau an den nordrheinwestfälischen Hochschulen haben minderjährige Kinder [3].
- Für Professor:innen und Mitarbeiter:innen in Technik und Verwaltung liegen keine gesonderten Zahlen vor, wir gehen aber aufgrund allgemeiner Daten davon aus, dass hier der Anteil an Eltern noch höher ist [4,5].
- Alleinerziehende, die in der Allgemeinbevölkerung mit über 20 Prozent vertreten sind [6], würden besonders profitieren, wenn sich die Vorlesungs- und Prüfungszeiten weniger mit den Schulferien überschneiden, in denen die Kinderbetreuungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind.
Hochschulen würden durch die Maßnahmen als Arbeitgeber attraktiver für Eltern, was Vorteile
bei der Fachkräftesuche im Land und international bietet. Auch würde dies die
Geschlechtergleichstellung unterstützen.
Das Elternnetzwerk der Ruhr-Universität Bochum hat mit der Petition „Familienfreundliche
Vorlesungszeiten“ auf das Problem aufmerksam gemacht. Diese wurde von mehr als 2.000
Personen unterzeichnet und im Januar 2023 beim Landtag NRW eingereicht [7]. In den
Stellungnahmen zur Anhörung des Wissenschaftsausschusses und des Ausschusses für
Schule und Bildung des Landtags im April wurden der dringende Bedarf an besserer
Abstimmung der Schulferien und Vorlesungszeiten und die hieraus erwachsenden Vorteile
deutlich herausgestellt. Unter den Sachverständigen herrschte eine nur selten gesehene
Einigkeit, die in den oben genannten Vorschlägen zusammengefasst ist [8-12].
Mit diesem offenen Brief bekräftigen wir diese Aussagen und bitten die Verantwortlichen in
Politik und an den Hochschulen, diese entscheidenden Maßnahmen für familienfreundlichere
Hochschulen in NRW umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
- Jun.-Prof. Dr. Juliane Czierpka und Prof. Dr. Tobias Glasmachers (Elternnetzwerk der Ruhr- Universität Bochum)
- Monika Koop und Bastian Doht (Landespersonalrätekonferenz NRW)
- Bernadette Stolle (Geschäftsführung der Landespersonalrätekonferenz der wissenschaftlich Beschäftigten - LPKwiss NRW)
- GEW NRW