17 | 12 | 2013 |
HARUN MAYE (Weimar)
Winzige Sprünge.
Vom Daumenkino zum Kaiserpanorama und zurück
Ein Daumenkino ist ein Bilderbuch, in dem eine Sequenz von Einzelbildern als fortlaufende Bewegung anschaulich wird. Dieses buchförmige Taschenkino findet ein Pendant im Kaiserpanorama, das um 1900 seriell angeordnete Stereofotografien gleichzeitig vereinzelt und kollektiv in einer zerstreuten Rezeption organisiert. Beide Unterhaltungsmedien sind medienphilologisch interessant, weil sie eine Schnittstelle zwischen dem Buch, der Illustrierten, der Photographie und den bewegten Bildern des Kinematographen markieren. In der Mediengeschichte nehmen sie eine Sonderstellung ein, weil eine direkte Ableitung aus dem Buchdruck, der Malerei oder der Photographie nicht möglich ist, sondern beide Technologien eine mediale und ästhetische Eigenständigkeit behaupten. Mit der Panoramamalerei des 19. Jahrhunderts hat das Kaiserpanorama nur noch den Namen und die Tatsache gemein, dass es sich in beiden Fällen nicht um eine Kunstform, sondern um eine medienästhetische Apparatur handelt. Mit dem Buchdruck hat das Daumenkino nur noch die Form und mit dem Kino die Tatsache gemein, dass es die Trägheit des Auges phantasmagorisch missbraucht. Die Vorlesung möchte aber nicht nur Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausstellen, sondern am Beispiel dieser beiden Technologien auch die Möglichkeit einer alternativen Mediengeschichte diskutieren, die nicht Apparate, sondern Kulturtechniken zum Gegenstand hat.
CV
Harun Maye ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM) der Bauhaus-Universität Weimar und Redakteur der halbjährlich erscheinenden „Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung“ (ZMK).
Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsche Literaturgeschichte seit dem 18. Jahrhundert, die Geschichte der Dichterlesung sowie Medien- und Kulturtechnikforschung.
Publikationen (Auswahl)
zus. mit Leander Scholz (Hg.): Einführung in die Kulturwissenschaft, München: Fink 2011.
zus. mit Markus Krajewski (Hg.): Die Hyäne. Lesarten eines politischen Tiers, Berlin u.a.: Diaphanes 2010.
zus. mit Matthias Bickenbach: Metapher Internet. Literarische Bildung und Surfen, Berlin: Kadmos 2009.