Unser Forschungshintergrund – Überblick
Die Arbeitsgruppe Cell Signalling untersucht zelluläre Signalwege des Gehirns und der Lunge. Das zentrale Modell für unsere Forschungsarbeiten sind sogenannte Organoide (Abbildung 1), die oft auch als Mini-Gehirne oder Mini-Lungen bezeichnet werden. Organoide differenzieren in unserem Labor aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS), die wiederum von jedem Menschen gewonnen werden können. Für gehirnähnliche Organoide (zerebrale Organoide) gibt es inzwischen sehr gut etablierte Zellkulturprotokolle. So weisen zerebrale Organoide die typischen schichtartigen Strukturen auf, die auch in echtem menschlichen Gewebe zu finden sind. Lungen-Organoid-Protokolle befinden sich hingegen noch in der Entwicklung. Eine weitere zentrale Methode unseres Labors ist die Gen-Editierung mittels CRISPR. Durch diese Methode verändern wir gezielt das Genom unserer Zellen, z. B. um spezifische Proteine mittels eines fusionierten fluoreszierenden Markers sichtbar zu machen. Die Kombination beider Techniken ermöglicht es uns, Proteine, die für Signalwege des Gehirns oder der Lunge potentiell von Relevanz sind, im dreidimensionalen Organoidmodell zu untersuchen. Neben fluoreszenzmikroskopischen Analysemethoden setzen wir dazu ebenfalls molekularbiologische und biochemische Techniken ein.
Abbildung 1: Zerebrales Organoid (Tag 21 nach Aussaat) - (A) In dieser frühen Phase der Organoiddifferenzierung entstehen ovale Organisationseinheiten, die viele neuronale Vorläuferzellen (PAX6-Marker, angefärbt in grün) enthalten. (B) Unreife Neurone gefärbt in rot (anti β-Tubulin-III-Immunfluoreszenz) sind bereits in den Organisationseinheiten enthalten. Zellkerne wurden mittels DAPI (blau) gegengefärbt. (C) Zeitstrahl zur Differenzierung zerebraler Organoide inklusive Aussaat, Entstehung von embryonalen Körperchen (embryonic buds, EB), Keimblattdifferenzierung, Bildung von neuroektodermalen Zellen, Matrigeleinbettung und weiterer Ausdifferenzierung des neuronalen Epithels bis zum zerebralen Organoid.
Aktuelle Forschungsprojekte
Analyse von Organoidmodellen neurodegenerativer Erkrankungen (DFG- und Mercur-Förderung)
Im Fokus unserer Arbeiten stehen für Morbus Alzheimer relevante Proteine, die kausal mit der Entstehung familiärer Demenzen (Präsenilin 1, PSEN1 und Amyloidogenes Vorläuferprotein, APP) sowie sporadischer Alzheimer-Demenz (ApoE) assoziiert sind. In zerebralen Organoidmodellen untersuchen wir, wie sich diese Proteine nicht nur auf die Entstehung der charakteristischen Alzheimer-Ablagerungen, amyloidogene Plaques und neurofibrilläre Tangles (Abbildung 2), auswirken, sondern zielen auch darauf ab, die zugrundeliegenden Signalwege zu identifizieren.
Abbildung 2: Entstehung von neurofibrilliären Tangles im zerebralen Organoidmodell. Intrazelluläres hyperphosphoryliertes Tau wurde mittels AT8 AK (grün) angefärbt. Als Gegenfärbung wurden das Mikrotubuli-assoziierte Protein 2 (MAP2, rot) sowie die Zellkerne (DAPI, blau) gefärbt.
Gen-Editierung von iPS-Zellen und Differenzierung von editierten Organoiden
Mittels Gen-Editierung lassen sich Zielgene ausschalten, in ihrer Expression verstärken oder reduzieren, alternativ können sie auch markiert werden. Um letzteres zu erreichen, nutzen wir verschiedene CRISPR-Strategien, z. B. die Kombination eines CRISPR/Cas9-induzierten spezifischen Doppelstrangschnitts mit einem homologiebasierten Reparaturansatz. Diese Technik ermöglicht es auch, große Sequenzabschnitte, z. B. für ein fluoreszierendes Protein, an definierten Positionen eines Gens zu integrieren. Nach erfolgreicher Editierung lassen sich so iPS-Zellen selektionieren, bei denen z. B. das Kernmembranprotein Lamin B1 (LMNB1) mit einem rot fluoreszierenden Protein markiert wurde (Abbildung 3). Wird aus diesen editierten Zellen nachfolgend ein Organoid differenziert, so lässt sich beispielsweise die subzelluläre Lokalisation des markierten Proteins im komplexen dreidimensionalen Gewebe nachverfolgen.
Abbildung 3: Aus editierten iPS-Zellen differenziertes Organoid. IPS-Zellen wurden mittels CRISPR/Cas9 Geneditierung modifiziert. Eine Sequenz für das rot fluoreszierende Protein wurde N-terminal an das endogene Lamin-B1-Gen (LMNB1) fusioniert. Aus einer editierten Linie wurde nachfolgend ein zerebrales Organoid differenziert. Deutlich erkennbar ist die rot fluoreszierende Zellkernmembran (DAPI-Zellkerngegenfärbung blau).
Lungen-Organoidmodelle für SARS-CoV-2-Infektionsstudien (BMBF-Förderung)
Sowohl Mausmodelle wie auch ein- oder zweidimensionale Zellkulturen haben Beschränkungen, wenn es darum geht, für den Menschen pathogene Virusinfektionen zu untersuchen. Primärkulturen, sogenannte airway epithelial cells, ausgesät in einer Luft-Flüssigkeit-Interphase, bieten viele Vorteile gegenüber klassischen Zellkulturen. Diese Kulturen werden u. a. jedoch aus humanem Lungenbiopsiematerial gewonnen und zeichnen sich entsprechend durch hohe interindividuelle Unterschiede (Donorvariabilität) aus. Inzwischen bieten Stammzelltechnologien ein vielversprechendes neues Modell: humane Lungenorganoide (Abbildung 4), die aus induzierten pluripotenten Stammzellen differenziert werden können. Diese Organoide leiten sich von humanen Zellen ab und lassen sich in großen Mengen generieren, wobei alle Lungenorganoide den gleichen genetischen Hintergrund aufweisen. Sie bieten somit ein sehr verlässliches 3D-Modell, das es auch ermöglicht, komplexe Interaktionen zwischen verschiedenen Zelltypen des Lungengewebes zu untersuchen. Im Rahmen unseres Forschungsprojekts etablieren wir ein Lungenorganoidmodell, um SARS-CoV-2-Infektionen zu untersuchen.
Abbildung 4: Lungenorganoid-Differenzierung aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen. Dargestellt ist der Ablauf der Etablierung von humanen Lungenorganoiden inklusive Endodermdifferenzierung, der Abschnürung von Foregut-Spheroiden, Matrigeleinbettung bis zur Differenzierung von reifen Organoiden. Rechts dargestellt ist ein frühes Organoid (Tag 30). Das ca. 1 mm große differenzierte Gewebe zeigt bereits schlauchartige Strukturen, die für die frühe Lungenentwicklung charakteristisch sind.