Als „Stay-Behind-Organisation“ oder kurz „Stay-Behind“ werden paramilitärische Einheiten bezeichnet, die im Falle einer feindlichen Invasion in den besetzten Gebieten verbleiben und dort Propaganda und Sabotagealte durchführen, Aufklärungsarbeit leisten und strategische Informationen z. B. an eine Exilregierung weiterleiten. In Friedenszeiten spricht man häufig von den Mitgliedern solcher Organisationen zumeist als „Schläfern“, die zivilen Berufen nachgehen und keine Aufmerksamkeit erregen.
Bereits in den 1920er-Jahren verfolgte der sowjetische NKWD dieses Konzept und baute ein Netzwerk von potentiellen Stay-Behind-Agenten auf, die während des Zweiten Feldkrieges gegen die Wehrmacht zum Einsatz kamen. Auch die deutsche Abwehr rekrutierte während des Krieges in den Niederlanden, Frankreich und Belgien in den so genannten R-Netzwerken Untergrundkämpfer, die im Falle einer britischen oder US-amerikanischen Invasion zum Einsatz kommen sollten.
Besonders bekannt ist das Konzept der Stay-Behind-Organisationen in Verbindung mit den Nachkriegsjahren und der Zeit des Kalten Krieges in Westeuropa. Aus Angst vor einer Invasion der Staaten des Warschauer Pakts etablierten westliche Nachrichtendienste europaweit verschiedene Netzwerke, die später der NATO unterstellt wurden. Ab 1948 betrieben CIC/CIA und MI6 in den westdeutschen Besatzungszonen gezielt den Aufbau verschiedener Stay-Behind-Organisationen, um auf diese Weise Informationen aus der sowjetischen Besatzungszone zu generieren und für einen eventuellen militärischen Überfall gewappnet zu sein. Die im Juni 1948 beginnende Berlin-Blockade und der im Sommer 1950 ausbrechende Korea-Krieg unterstrich aus Sicht westlicher Sicherheitsexperten die Notwendigkeit von gut aufgestellten und schnell einsatzbereiten Guerilla-Einheiten. In den 1950er-Jahren unterstützten CIA und MI6 verschiedene Stay-Behind- Organisationen in der Bundesrepublik, darunter das Kibitz-Netzwerk sowie den „Bund Deutscher Jugend“ (BDJ) und seinen „Technischen Dienst“ (TD) mit umfangreichen finanziellen Mitteln und versorgten diese mit Munition und Waffen.
Bei der Rekrutierung deutscher Stay-Behind-Agenten spielte deren NS-Vergangenheit eine nur untergeordnete Rolle. Wichtiger war aus Sicht westalliierter Nachrichtendienste eine deutlich antikommunistische Gesinnung und vorhandene Kampferfahrung. Aus diesem Grund fanden sich ab den späten 1940er-Jahren zahlreiche ehemalige Mitglieder der Waffen-SS und Gestapo auf den Lohnlisten von CIC/CIA und MI6 wieder, ohne eine strafrechtliche Verfolgung ihrer Kriegsverbrechen befürchten zu müssen.
Bis heute ranken sich um die deutschen und westeuropäischen Stay-Behind-Netzwerke des Kalten Krieges diverse Verschwörungstheorien und Legenden, was nicht zuletzt auf die fehlende Aufarbeitung zurückzuführen ist.
Weiterführende Literatur:
Frans KLUITERS: R-Netz. The Stay-Behind Netzwork of the Abwehr in the Low Countries, in: de Graaf, Beatrice; de Jong, Ben; Platje, Wies (Hrsgg.): Battleground Western Europe: Intelligence Operations in Germany and the Netherlands in the Twentieth Century, Amsterdam 2007, S. 71-80.