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DIE PHILOSOPHINForum für feministische Theorie und PhilosophiePhilosophin 32 Feministische Zeitschriften. Tradierung und Geschichte Einleitung Feministische Zeitschriften
sind Medien, die von Frauen für Frauen gemacht wurden. Sie konstituieren eigene
Formen von medialen Öffentlichkeiten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie
sich in Bezug zu einer politischen Bewegung definieren. Mit der autonomen
Frauenbewegung entstand in den 1970er Jahren eine Vielzahl überregionaler und
regionaler Zeitschriften, die sich als Organ bestimmter politischer
Gruppierungen innerhalb der Bewegung verstanden. 1976 erschien die Courage und die Schwarze Botin, kurz danach die Emma, die sich an die „Frau schlechthin“ richtete;
welche doch, wie die Schwarze Botin
sofort kritisch anmerkte, gar nicht existiere. Nur wenig später wurden die
wissenschaftlichen feministischen Zeitschriften beiträge zur feministischen theorie und praxis (1978), die Feministischen Studien (1984) und zu
Beginn der neunziger Jahre schließlich Die
Philosophin (1990), L’Homme
(1990) und metis (1991) gegründet,
von denen viele ihre Grenzgängerposition zwischen den Institutionen bis heute
halten. Die feministische Zeitschriftenlandschaft und ihre Geschichte
erscheinen aus heutiger Perspektive wie ein Vorläufer des Modells der
vernetzten Öffentlichkeiten. Dies war die These, die dem
Seminar zugrunde lag, aus dem die vorliegende Nummer der Philosophin zum Thema Feministische
Zeitschriften. Tradierung und Geschichte hervorgegangen ist. Das Ziel des
Seminars war, die These des Modells vernetzter Öffentlichkeiten zu prüfen, um
sie einer möglichen Geschichte der feministischen Zeitschriften in der BRD
seit den siebziger Jahren zugrunde zu legen. Die Autorinnen und Autoren sind
Studierende am Institut für Medienwissenschaft der Universität Bochum. Viele
von ihnen kamen erst im Seminar mit der Geschichte und den Zeitschriften
selbst in Berührung. Sie waren weder AbonnentInnen noch LeserInnen und
standen dem Gegenstand und der Fragestellung zu Beginn eher leidenschaftslos
gegenüber. Es war mit anderen Worten nicht ihre Geschichte, um die es hier
ging. Das Seminar beschäftigte sich
zunächst mit der vorhandenen Forschungsliteratur und den unterschiedlichen
disziplinären Zugangsmöglichkeiten. Sie verbanden medienwissenschaftliche,
kommunikationswissenschaftliche, historische und kulturwissenschaftliche
Fragen. Der zweite Teil des Seminars war der Arbeit in den Archiven gewidmet.
Dabei konnten die Studierenden sowohl auf die Bestände des an der
Ruhr-Universität Bochum angesiedelten Leihse-Archivs als auch auf die
Sammlung des Bochumer (autonomen) Frauenarchivs AusZeiten zurückgreifen. Für
die Unterstützung, Hilfsbereitschaft und Geduld sei an dieser Stelle den
Betreiberinnen noch einmal ausdrücklich und herzlich gedankt. Die Erkenntnis leitenden
Fragen ergaben sich aus der zugrunde gelegten Annahme, dass Herausgeberinnen,
Autorinnen und Leserinnen der Zeitschriften Interpretationsgemeinschaften
bilden, die sich um die Texte organisieren und Systeme von geteilten kulturellen
Bedeutungen schaffen. Diese Bedeutungen werden, so die These im Seminar,
nicht nur durch die Inhalte der Texte, sondern ebenso durch die spezifische
Organisation der Produktion, der Distribution und des Vertriebs, die
Positionierung zur „politischen Bewegung“ auf der einen und zu
Institutionen auf der anderen Seite, durch die gewählten journalistischen
Formen, durch die graphische Darstellung und das Layout und durch explizite
und implizite Vernetzung geschaffen. Als theoretischer und methodischer
Hintergrund diente insbesondere die Studie von Patrice Mc Dermott Politics and Scholarship. Feminist
Academic Journals and the Production of Knowledge1, die in
ihrem methodischen Zugang Cultural Studies und Science Studies Ansätze
verbindet. Mit einem Set an Fragen zum Medium Zeitschrift und seiner
Geschichte, zu den konkreten Techniken und Praktiken der Vernetzung, zur
Rolle der Frauenbewegung und zu den unterschiedlichen
Öffentlichkeitskonzepten ausgestattet, wandten sich die Studierenden dann dem
historischen Material zu. Themenschwerpunkte bildeten erstens
„Vertreterinnen der Bewegung“ (Schwarze Botin, Courage, Emma),
zweitens die regionalen Zeitschriften und drittens schließlich die
„Kulturen der Disziplinen“, die sich in den unterschiedlichen
akademischen feministischen Zeitschriften ausprägten. Die Ergebnisse ihrer
Projektarbeiten präsentierten sie in einem Blocktermin. Die Arbeit in den
Archiven und die intensive Beschäftigung mit den Ausgaben der Zeitschriften,
mit ihren Namen (Igitte bis Ausgekocht), mit den vieldeutig
sprechenden Bildern und graphischen Darstellungen, den Sprachspielen, den
politischen Anliegen, dem Engagement, dem in den Artikeln, den Editorials und
Leserbriefen zum Ausdruck kommenden Veränderungswillen bewirkte im Verhältnis
der Studierenden zu ihrem Erkenntnisgegenstand eine erstaunliche Veränderung.
Sie begannen, sich in ein Verhältnis zur Geschichte zu setzen, die sie
(be)schreiben sollten, wurden selbst zu Trägerinnen dieser Geschichte. Das
Resultat der darauf folgenden intensiven Auseinandersetzung mit der Frage,
wie sich eine Geschichte der feministischen Zeitschriften in der BRD seit den
siebziger Jahren schreiben lässt, die sowohl die Frage der medialen
Öffentlichkeiten, des politischen Anliegens, die Differenzen zwischen den Zeitschriften
und den Veränderungsprozess berücksichtigt, der mit der Transformation in
eine globale Netzwerkgesellschaft einhergeht, sind die Beiträge dieser
Nummer. Die Auswahl der Zeitschriften, deren Geschichten beschrieben werden,
war den Studierenden überlassen und spiegelt zugleich die Bestände der
Archive. Es ist der Versuch, das Material – die feministischen
Zeitschriften – zum Sprechen zu bringen, nicht zuletzt, um unsere
Gegenwart und die aktuelle Transformation der medialen Öffentlichkeiten
besser zu verstehen. Selbstverständlich steht aus
der Herausgeberinnenperspektive einer Zeitschrift wie Die Philosophin bei dem Projekt, eine Geschichte feministischer
Zeitschriften zu schreiben, auch die Frage im Hintergrund, ob nicht das
Projekt „feministische Zeitschrift“ selbst beginnt, zur
Geschichte zu gehören. Wir haben, dem Programm der Philosophin folgend, statt diese Frage zu beantworten, das Wort
den VertreterInnen der nächsten Generation gegeben. Dies ist nicht zuletzt
der Versuch, Übergabe, Übernahme und Bildung der Tradition ohne neue
Kanonbildung zu verwirklichen. So mögen die Beiträge der
vorliegenden Nummer Feministische
Zeitschriften. Tradierung und Geschichte dazu beitragen, die Frage nach
der Historizität des Mediums zu beantworten. Wir selbst, Astrid
Deuber-Mankowsky und Ursula Konnertz möchten uns mit dieser (vorläufig)
letzten Nummer verabschieden und Die
Philosophin der nächsten Generation übergeben. Wir hoffen sehr, dass das
Projekt der Philosophin mit seinem
Anspruch damit kein Ende findet. Und dass Die
Philosophin in der Diskussion präsent bleibt. Ob, wie und in welcher Form
sie konkret weitergeführt wird, ist im Moment noch ungewiss. Wir haben in der letzten
Nummer 31 „Tod und Geschlecht“ die wechselhafte Geschichte des
Projektes der Philosophin und die
Veränderungen, die das Projekt
Philosophin mit uns und unserer Arbeit in den 16 Jahren seines Bestehens
bewirkt hat, kurz rekapituliert. Dass die Philosophin 16 Jahre lang so erfolgreich bestehen konnte, als
interdisziplinäres Forum für feministisch interessierte Wissenschaftlerinnen,
verdanken wir vielen. An dieser Stelle möchten wir allen LeserInnen, allen
AutorInnen, RezensentInnen, BeirätInnen und BuchhänderlInnen danken –
nur mit Ihnen zusammen war die Arbeit möglich. Und nicht zuletzt danken wir
unserem Verlag, der edition diskord in Tübingen, die mit ihren Verlegern
Dagmar und Gerd Kimmerle das Projekt nicht nur in mehrfacher Hinsicht
materiell ermöglichte, sondern es von der Planung 1989 an mit großem Zuspruch
unterstützte. An dieser Stelle möchten wir
uns besonders bedanken bei Ingrid Dickhut, Institut für Medienwissenschaft
der Ruhr-Universität Bochum, für ihre umsichtige und sorgfältige
Unterstützung bei der Endredaktion der vorliegenden Nummer. Es ist selbstverständlich,
dass alle Nummern, bis auf die vergriffenen, weiterhin über unsere Homepage
bestellt werden können und damit präsent sind. Die Herausgeberinnen Fußnote 1 Mc Dermott, Patrice: Politics and Scholarship. Feminist Academic Journals and the Production of Knowledge. University of Illinois Press. Urbana and Chicago 1994. |
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