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DIE PHILOSOPHINForum für feministische Theorie und PhilosophiePhilosophin 31 Tod und Geschlecht Einleitung Während der
Zeit der Herausbildung der Geschlechterstudien aus den feministischen Studien
und ihrer Etablierung an den Universitäten in den 1980er Jahren wuchs die
Literatur zum Thema Tod beständig an. In dem Zeitraum, in dem sich mithilfe
der als philosophische Kategorie,
bzw. als Wissenskategorie verstandenen Kategorie Geschlecht neue Perspektiven auf gesellschaftliche,
epistemologische, historische, ästhetische und geschlechterpolitische Fragen
eröffneten, beteiligte sich die
feministische Theorie und Philosophie nicht explizit an der Diskussion über
das „Todesthema“. Sie hat sich in den letzten 30 Jahren
allerdings vor allem im Bereich der Wissenschaftstheorie und
Wissenschaftskritik mit dem Thema Tod und seiner metaphysischen Schwester,
der Unsterblichkeit, auseinandergesetzt. Im Zentrum der Kritik stand dabei
der Naturbegriff. Dieser Naturbegriff, der in der Weiterentwicklung der
Baconschen Tradition, die als Hauptrichtung der europäischen
Wissenschaftstradition und des szientistischen Positivismus identifiziert
wurde, war mit der Bändigung und Zurichtung durch die instrumentellen
Wissenschaften zugleich an ein hierarchisches Geschlechterverhältnis und an
einen Fortschrittsbegriff gebunden. Dieser
Begriff endlosen Fortschritts, dessen feministische Analyse von den Arbeiten
der kritischen Theorie beeinflusst sind, wurde und wird genährt durch die
– in der feministischen Theorie scharf angegriffene – Hoffnung
auf die die Negation des Todes, auf die zumindest technische Überwindung der
Sterblichkeit. Diese
feministische Kritik zielt auf eben die Verknüpfung des geschichtlichen
wissenschaftlichen Fortschrittsdenkens und des geschichtlichen Denkens der
Geschlechterdifferenz. Diese Kritik beruht letztlich auf einer
kulturtheoretischen Annahme, dass nämlich Kultur immer gebunden ist an das
Wissen um die Sterblichkeit und die wiederum an eine Differenzierung der
Geschlechter. Die Beziehung zwischen Geschlechterdifferenz und Tod wird z.B.
von Simone de Beauvoir wegweisend durch die unterschiedliche Stellung der
Geschlechter zu Tod und zur Endlichkeit in der Geschichte beschrieben. Die
Leben gebenden Frauen werden als Mütter, als Körper, als Natur mit der
Vergänglichkeit, mit dem Tod identifiziert, die kriegerischen, todbringenden
Männer mit kulturellem Fortschritt und Leben. Die wissenschaftskritische
Verengung auf diese These hat möglicherweise eine feministische Diskussion
der in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts explosionsartig ansteigenden
philosophischen, historischen und soziologischen Thanatologie tendenziell
verhindert. Gleichzeitig
zu den wissenschaftskritischen Analysen hielt sich aber auch in der
feministischen Diskussion hartnäckig die mittlerweile stark angegriffene
These von der „Verdrängung des Todes“ in unseren modernen
Gesellschaften. Diese These geht einerseits zurück auf die
mentalitätshistorischen Untersuchungen von Ariès[1]
und Vovelle[2]
zu den Modifikationen der Vorstellungen vom Tod von der Renaissance bis
heute, die eine „Geschichte des Todes“ suggerieren. Maßgeblich
sind dafür ebenfalls die zivilisationstheoretischen Arbeiten von Norbert
Elias und seine Schrift „Über
die Einsamkeit der Sterbenden“[3],
in der er die Verwissenschaftlichung des Todes in ihrer Auswirkung auf den
Umgang der Lebenden mit Sterbenden und der Sterbenden mit der Todesangst
untersucht. Und andererseits ist die Verdrängungsthese zurückzuführen auf den
Einfluss der philosophische Thanatologie im 20ten Jahrhundert, die mit der
Existenzphilosophie und deren Hauptvertreter Heidegger einen vorläufigen
Höhepunkt und Abschluss gefunden hat. Die fundamentalontologische Analytik
des Todes als „Seinsmöglichkeit, darin es um das Sein des je eigenen
Daseins schlechthin geht“, das „die Ganzheit des Daseins
konstituiert“[4],
verinnerlicht den Tod als dem Menschen vorbehalten und in seiner
Subjektivität gründend: erst in der Übernahme seines endlichen Seins gewinnt
der Mensch die Eigentlichkeit seines Daseins, eine verdeckt ethisch
ausgerichtete Aussage. Heidegger verabsolutiert pathetisch in Sein
und Zeit die Endlichkeit – der Einfluss des Ersten Weltkriegs ist
direkt greifbar – der Tod ist konstitutiv für das Dasein und den Sinn des
Daseins; von dort her bestimmt Heidegger das alltägliche Ausweichen der
Menschen vor dem Wissen um ihr Sein als „Sein zum Tode“ als einen
defizienten Modus, der den Tod verdrängt.[5]
Die feministische
Dekonstruktion der Prämissen naturwissenschaftlicher Epistemologien und
Forschungszusammenhänge und die Kritik an gesellschaftspolitisch relevanten
Anwendungen natur-wissenschaftlicher Forschungsergebnisse im Bereich von
Medizin und Technik kann als Versuch gelesen werden, der expliziten oder
impliziten ethischen Aufforderung nachzukommen, den eigenen „Tod“
nicht länger zu verdrängen. Feministische Selbstsorgekonzepte und Entwürfe
des guten Lebens beinhalten konsequenterweise das Akzeptieren des Todes als
Teil des Lebens. Nun hat
Freud bedenkenswerter Weise darauf hingewiesen, dass Menschen den Tod des
anderen fürchten, und erst darüber den eigenen Tod, den das Unbewusste
allerdings immer negiert. Und Thomas Macho weist auf die logische Unmöglichkeit
der Repräsentation des Todes[6]
hin, sowohl des eigenen wie desjenigen der anderen. Er warnt vor der
Identifizierung von Sterblichkeit, Endlichkeit und Tod[7]
und verweist auf die Notwendigkeit von Untersuchungen der
unterschiedlichen Kulturtechniken im
Umgang mit Sterbenden und toten Körpern, mit Trauer. Die unpathetische
Aufforderung mit den „Metaphern des Todes“ zu arbeiten, macht es
möglich, die Paradoxa, mit denen das Thema Tod konfrontiert, nicht auflösen
zu müssen oder zu vereindeutigen. Paradoxa, die von einem Entwurf, „dem Tod“ einen zu akzeptierenden
Platz im Leben zu geben und den Umgang mit ihm lernen zu müssen,
vordergründig entschärft werden. Ein solcher Entwurf, den „Tod zu
lernen“, verführt nicht nur dazu, substantielle Aussagen über „den
Tod“ zu machen. Er verführt auch dazu, durch das normative Ziel der
Überwindung von Todesangst und Schrecken der Lebenden, zufällige historische
Kulturtechniken im Umgang mit Sterbenden wie z.B. die medizinischen
Todesdefinitionen nicht in Frage zu stellen. Im politischen Kontext kann die
angestrebte Versöhnung mit den Schrecken des Todes zu einer Affirmation des
Todes, zu einer Faszination durch den Tod führen. Dies kann, wie zur Zeit bei
den Selbstmordattentätern so bestürzend zu sehen ist, zur Wahl des selbst
herbeigeführten, möglicherweise Sinn gebenden eigenen Opfertodes führen, wie
auch zur machtvollen Unberührbarkeit durch die bewusst herbeigeführten oder
in Kauf genommenen gewaltsamen Tode der Anderen. Nun bilden
sowohl die technischen Unsterblichkeitsphantasien der
Wissenschaftsgeschichte, die ästhetischen der Literatur-, Musik-, Kunst- und
Mediengeschichte, die theoretischen der Philosophie-, vor allem der
Metaphysikgeschichte wie auch die Unsterblichkeitsphantasien der Religionen
mit ihren unterschiedlichsten „Todesdarstellungen“ als Antwort
auf und als Versuch der Bewältigung von Todesangst Bestandteile des
Kontextes, innerhalb dessen aktuelle philosophische Untersuchungen von
Kulturtechniken im Umgang mit „Tod“ und mit den „Metaphern
des Todes“[8]
mithilfe der Kategorie Geschlecht arbeiten müssen. Es gibt
neben den bereits oben genannten feministischen kritischen Diskursen der
1980er Jahre zu den technischen Unsterblichkeitsphantasien der
Naturwissenschaften, Arbeiten, die allerdings selten explizit das Todesthema
genauer analysieren, nur wenige Arbeiten von Wissenschaftlerinnen zum Thema
Tod.[9]
Noch
seltener sind Arbeiten, die Tod und Geschlecht als zusammenhängend
untersuchen, oder sich dem Thema mit geschlechtertheoretischen Methoden
nähern. Eine bekannte Ausnahme bildet einerseits Elisabeth Bronfen, die
in Nur
über ihre Leiche über die Rolle
von weiblichen Leichen im Schaffen männlicher Künstler und Autoren arbeitete
und herausgestellt hat, dass über die tote Frau, das „poetischste aller
Sujets“, Todesängste und Todessehnsüchte ausformuliert und gebannt
werden, und andererseits die Existenzphilosophin Simone de Beauvoir, deren
Arbeiten im Folgenden beispielhaft angeführt
werden. Für Beauvoir
ist das Todesthema der Schlüssel zu ihrem Werk, auch zum anderen Geschlecht.
Mit Das andere Geschlecht nimmt sie
inhaltlich und kategorial in der Existenzphilosophie eine Sonderstellung ein.
Und auch ihre Thematisierung des Todes, die eine widerspruchsvolle
Entwicklung durchläuft und von ihr in ganz unterschiedlichen Formen behandelt
wird, steht, sowohl mit ihrer Rezeption der Hegeldeutung Kojèves und seines
auf Todesbewältigung aufbauenden kulturgeschichtlichen Modells innnerhalb
ihrer Analyse der Entstehung des hierarchischen Geschlechterverhältnisses im anderen Geschlecht, als auch mit ihrer
leidenschaftlichen Rebellion (der frühen Romane und der Autobiographien)
gegen den metaphysischen Schrecken des Todes, der endlichen Existenz,
außerhalb der Heideggerschen Tradition. Sie reflektiert in ihrem Roman Alle Menschen sind sterblich über die
Folgen der Unsterblichkeit für die menschliche Existenz, ein literarisches
Experiment, das in der akademischen Philosophie mehrfach aufgegriffen wurde.
Sie stellt sich dem verändernden Einfluss der historischen Ereignisse auf den
nicht sagbaren Tod (vor allem des 2. Weltkriegs in den Memoiren) und
formuliert, Canetti nicht unähnlich, den Schrecken vor dem Tod als den der
Überlebenden in ihrem „Sein gegen den grausamen Tod“. Sie
untersucht in ihrem Essay Das Alter die
Abhängigkeit alter Menschen in ihren Vergänglichkeitserfahrungen der Körper
als demütigend abhängig von Klasse und Geschlecht. Sie beschreibt in
„Ein sanfter Tod“ einem Bericht über ihre Erfahrung des Sterbens
ihrer Mutter, den durch die Wissenschaften veränderten technischen Umgang mit
Sterbenden. Sie hat damit für eine Thematisierung von „Tod und
Geschlecht“ wichtige Diskussionen begonnen, die allerdings nur an
wenigen Punkten durch die neuere Geschlechterforschung weitergeführt wurden. Eng
verbunden mit dem autobiographischen Bericht Beauvoirs über das langsame
Sterben ihrer krebskranken Mutter in der Klinik und die sich in dieser
Situation neu gestaltende, im Schreiben erinnerte und weitergeführte
Beziehung zwischen der Mutter und Tochter, sowie die von Beauvoir ans Ende ihres Berichtes
gesetzte Infragestellung der Möglichkeit eines „natürlichen
Todes“, erscheint uns das Gespräch mit der Soziologin Gesa Lindemann. Im Mittelpunkt unseres
Gespräches steht Lindemanns soziologische Frage, nach den Verschiebungen der
Todeskonstruktionen durch die Medizin, der Verschiebung der Grenzen zwischen
Lebenden und Toten und damit auch die Frage nach den historischen wie
aktuellen Veränderungen der Körperkonstruktionen. Versucht
man, zu Thema „Tod und Geschlecht“ eine Literaturrecherche durchzuführen, so zeigt sich die oben
beschrieben Lücke in der Literatur schnell.[10]
In Anbetracht der Entwicklung der Gender Studies ist diese Lücke erstaunlich.
Für die Geschlechterverhältnisse sind die Wissensfelder „Körper“,
„Sexualität“, „Leben“, „Identität“
konstitutiv und praxisrelevant. Nun finden in Teilen eben dieser
Wissensfeldern die öffentlichen Diskussionen um das Lebensende statt, die auf
die Veränderungen von Wissen in Medizin und Technik ( vor allem der
Transplantations- und Reproduktionsmedizin) reagieren. Sozialpolitische
und juridische Entscheidungen,
ökonomisch, medizinisch und medial geschaffene Fakten verschränken sich in den medizinethischen,
bioethischen und sozialethischen Debatten um Sterbehilfe, PatientInnenverfügung
und deren Verrechtlichung. Die
Tatsache, dass die explizit geschlechtertheoretische Perspektive auf das
Thema fast völlig fehlt, könnte zunächst auch ein Zeichen dafür sein, dass
die Geschlechterdifferenz in den aktuellen Problematiken doch keine herausragende
Rolle spielt. In diesem Fall würden die Geschlechterstudien Gefahr laufen,
ein Engendering, eine Vergeschlechtlichung zu praktizieren, wenn sie mit
ihren Methoden und Kategorien das Wissenschafts- und Praxisgebiet fokussieren
würden. Die interdisziplinären
Beiträge der vorliegenden Artikel, die auf die Beiträge und Diskussionen des
Workshops „Tod und Geschlecht“ in Tübingen im April 2005[11]
zurückgehen, weisen aber auf einen ganz anderen Befund hin. Sowohl das
Thematisieren des Todes in den unterschiedlichen Disziplinen wie auch der
Blick auf das reale Sterben zeigt deutlich auf, dass die Einbeziehung der
Kategorie Geschlecht in die Dekonstruktion der Todesmetaphern in deren
Zentrum zielt. Versucht wird in den Beiträgen und wurde es in den langen Diskussionen,
die Perspektiven von Ethik, Geschlechtertheorie und unterschiedlichen
Einzelwissenschaften in ihren jeweiligen Miniausschnitten auf das Thema
„Tod“ zusammen zu führen. Welche
veränderten Perspektiven, welche neuen Fragen, welche Verschiebungen in den
Konstruktionen von Tod, in den Todesmetaphern selber können die
Geschlechterstudien eröffnen, wenn sie aus den unterschiedlichen Disziplinen
heraus den Tod thematisieren? Die
vorliegenden Texte gehen zunächst aus von der Analyse der Medialisierung des
Verhältnisses von Tod und Leben in Fotografie, Film und Literatur und die
Reflexion auf diese Akte der Medialisierung selbst. Die
Amerikanistin Gabriele Dietze aus
Berlin untersucht in ihrem medienwissenschaftlichen Beitrag die unterschiedlichen
Dimensionen des Leitmotivs Killing
Time. Sie skizziert drei Gegenstandsbereichen, die Berührungspunkte und
Schnittstellen von medialisiertem Tod und Leben beziehungsweise Überleben
bezeichnen. Gemeinsam ist diesen herausgegriffenen Szenen oder Artefakten,
dass sie sich mit Visualisierung im Sinne von Bildlichkeit beschäftigen, dass
sie im weitesten Sinne „gerahmt“ sind und dass sie ein Moment von
Selbstreflexion von Medialisierung und der Grenze der Darstellbarkeit
verbunden mit dem Motiv des Todes in sich tragen. Zuerst wird dabei ein Blick
auf den Abbildungsprozess als
Tötungsakt geworfen, als Beispiel dient dazu Edgar Allen Poes Erzählung The Oval Portrait von 1842. Eine
zweite Figuration beschäftigt sich anhand von Kinofilmen mit der Nicht-Abbildbarkeit
und der widerständigen Materialität der Leiche in visuellen Medien und ihrer
Trotzdem-Präsenz, und der dritte Teil reflektiert am Beispiel einer
Totenbettphotographie, Alice Springs Portrait von Helmut Newton ein Tabu über
das Sterben. Auf ihre Brauchbarkeit überprüft werden die erarbeiteten Thesen
an den notorischen Folter- und Hinrichtungsbildern jüngster Vergangenheit,
die ein Medialisierungstabu gegenüber der real
time Repräsentation von gewaltsamen Tod signifizieren. Geschlechtertheoretische
Arbeiten stehen hier noch am Anfang, so wie auch in der empirischen
Erforschung von Sterbeprozessen, haben aber eine hohe Alltagsrelevanz. Die
Ethnologin Vera Kalitzkus aus
Göttingen, die danach fragt, wie
geschlechtsspezifische Unterschiede im Sterben von Männern und Frauen
aussehen, stellt eine völlige Forschungslücke bei diesem Thema fest. Ausgangspunkt
ihrer Überlegungen war der Wandel von Tod und Sterben in der heutigen
Gesellschaft aufgrund medizintechnischer, gesellschaftlicher wie demographischer
Veränderungen. Hospizbewegung und Palliativmedizin haben zunehmend
Verbreitung gefunden. Darüber hinaus stellt sich im Zuge der Einführung der
DRGs (diagnostic related groups) vermehrt die Frage ambulanter
Betreuung von Patienten, die sich in ihrer letzten Lebensphase befinden. Die
zu erwartenden Veränderungen erfordern, so Kalitzkus, neue Strukturen zur
Betreuung Sterbender. Dies macht
es notwendig, mehr über die Einstellungen und Bedürfnisse Sterbender und
ihrer Angehörigen zu erfahren. Die Perspektive schwerstkranker Patienten und
ihrer Angehörigen wurde bisher kaum untersucht, eine geschlechtsspezifische
Perspektive noch seltener eingenommen. Die höhere Lebenserwartung von Frauen
wie auch die geschlechtspezifische Rollenverteilung, die Frauen die Rolle der
Fürsorgenden, jedoch weniger der zu Versorgenden zuweisen,
legen nahe, dass Frauen aus demographischen Gründen unter anderen Bedingungen
(z.B. bzgl. des Sterbeortes, der verfügbaren Betreuung) sterben und sie
biographiebedingt andere Bedürfnisse (z.B. Schamgrenzen etc.) und Ansichten
haben als Männer. Insbesondere das weibliche Rollenverständnis als primär
Fürsorgende dürfte es Frauen erschweren, Hilfe anzunehmen und den Wunsch
verstärken, niemandem zur Last zu fallen. Vera
Kalitzkus greift in ihrem Beitrag
sowohl auf die wenigen Studien zu diesem Thema zurück, zum anderen auf
Einsichten und Ansichten, basierend auf einer eigenen kleinen Befragung ohne
repräsentativen Charakter zu diesem Thema von Mitarbeiter/innen der
stationären wie ambulanten Hospizarbeit. Vor allem
anhand dieses Beitrages muss das grundsätzliche methodologische Problem
diskutiert werden, wie eine qualitative Erhebung aussehen kann, die nach der
Geschlechterdifferenz fragt, ohne sie gleichzeitig nicht nur vorauszusetzen,
sondern sie weiter fortzuschreiben. Und sie dann eben - ethisch problematisch
- prädiktiv in Vorstellungen „guten Sterbens“ inhaltlich zu
füllen. Diese Gefahr wiederum besteht
in all den einzelnen Disziplinen, die hier zu Wort kommen, arbeiten sie doch
alle an den in unserer Gesellschaft virulenten Todesvorstellungen mit. Dass
ein Forschungsvorhaben, das sich dieses Themas annimmt, aber dringend
erforderlich ist, zeigen die Bezüge auf, die im Gespräch mit Gesa Lindemann zur Sprache kommen.
Lindemann stellt am Beispiel des „Hirntods“ die Frage nach den
„sozio-technischen Konstruktionen“ von Leben und Tod und zielt
damit ebenso auf die Grundlagen der Lebenswissenschaften und der Bioethik.
Sie greift hierbei auf eine Interpretation der „exzentrischen
Positionalität“, verstanden als Theorie des natürlich-kulturellen
Körpers von Helmuth Plessner zurück, um die anthropologischen Voraussetzungen
der Soziologie zu problematisieren. Und um zu fragen, wer eine
(menschliche) Person ist, welche Körper lebendig genug sind, damit sie in
ihrer Bedürftigkeit anerkannt werden müssen. Den Bericht Beauvoirs über das
Sterben ihrer Mutter lässt sich als literarischer Quellentext für ihre
Ausführungen lesen. Die medizinischen
(Kultur)Techniken, die über Leben und Tod entscheiden, haben ihre Wurzeln
unter anderem in der anthropologisch bedeutsamen Anatomie als der
Grundlagenwissenschaft der modernen Medizin. Anna Bergmann diskutiert in ihrem Beitrag „An den Grenzen des Lebens: Die anatomische
Konzeption vom ‚Körper-Menschen’“ Tabubrüche in der
Transplantationsmedizin und thematisiert kulturanthropologisch
begründete Konflikte, die aus der Kollision der Transplantationsmedizin mit
Sterberitualen und Regeln des Totenkults entstehen. Aus der Perspektive einer
feministischen empirischen Kulturwissenschaftlerin beschreibt Traute Helmers anhand des Beispiels
anonymer Begräbnisse Kulturtechniken des Alltags, die mit Tod und
Trauerritualen, Begräbnis- und Erinnerungspraxen umgehen. Sie zeigt auf, wie
das kultur- und sozialgeschichtlich
Gewordene der Rituale und Objekte mit den
Geschlechterverhältnissen und der Geschichte der Medien verschränkt
ist. Die
vorliegenden Beiträge können nur kleine Ausschnitte auf das noch zu
bearbeitende Thema Tod mit seinen vielen Haupt- und Nebenschauplätzen geben.
Zeigen können sie aber die hohe Relevanz, die die geschlechtertheoretische
Perspektive hier besitzt. Die
Herausgeberinnen |
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[1]Philippe
Ariès, Geschichte des Todes, München/ Wien 1980.
[2] Michel Vovelle, La
mort et l Occident, Paris 1983.
[3] Norbert Elias,
Über die Einsamkeit der Sterbenden,
Frankfurt 1982.
[4] Martin
Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen
1977, S. 240. Susanne Lettow hat in ihrer Disseration Die Macht der Sorge.
Die philosophische Artikulation von Geschlechterverhältnissen in Heideggers
„Sein und Zeit“, Tübingen 2001, kritisch zu Heidegger
gearbeitet.
[5] Vgl. hierzu
ausführlicher: Ursula Konnertz, „Die Verdrängung des Todes“, in:
Ursula Konnertz (Hg.), Weibliche Ängste.
Ansätze feministischer Vernunftkritik, Tübingen 1989, S. 53 ff.
[6] Thomas Macho,
„Tod und Trauer im kulturwissenschaftlichen Vergleich“, in: Jan
Assmann, Der Tod als Thema der
Kulturtheorie, Frankfurt a. M. 2000, S. 91 f.
[8] Vgl. Thomas
Macho, Todesmetaphern. Zur Logik der
Grenzerfahrung, Frankfurt a. M. 1987.
[9] So fehlen
auch selbst in neueren Anthologien auffällig weibliche Schreibende. ( Ausnahmen
hierzu bilden zunehmend die Publikationen über die Todesdefinitionen in der
Medizin, vgl. z.B. Claudia Wiesemann; Anna Bergmann; Gesa Lindemann.)
[10] Nicht
unterschlagen möchten wir die bekannte
Ausnahme, den informativen Band der Beiträge
zur feministischen Theorie und Praxis, Heft 59, „Sterben und
Tod“, Köln 2001.
[11] Der Workshop
fand am 23.4.05 am Arbeitsbereich Geschlechterstudien –Ethik in den
Wissenschaften des IZEW (Interfakultären Zentrums für Ethik in den
Wissenschaften) der Universität Tübingen statt, organisiert von U. Konnertz.
Finanziert wurde der Workshop durch das MWK Baden-Württemberg. Sehr erhellend
bei diesem Workshop waren vor allem die Diskussionen mit dem Ethiker Prof.
Dietmar Mieth, der als Mitglied der nunmehr aufgelösten „Enquête
Kommision des Deutschen Bundestages zu Ethik und Recht in der modernen
Medizin“ von den politischen Diskussionen über die PatientInnenverfügung
berichten konnte. D. Mieth ist Leiter des Arbeitsbereichs Geschlechterstudien
am IZEW.