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DIE
PHILOSOPHIN
Forum
für feministische Theorie und Philosophie
Philosophin
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Männlichkeit
- Männlichkeitsforschung
EINLEITUNG
Als
wir vor sieben Jahren eine Schwerpunktnummer der Philosophin dem
Thema „Paradigmen des Männlichen" widmeten, wäre
es uns nicht in den Sinn gekommen, gezielt männliche Autoren
zur Mitarbeit einzuladen. Es ging uns damals um weibliche
Imaginationen des Männlichen. Wir wollten den Blick auf die
bis dahin unreflektierten Grundannahmen über Männlichkeiten
in der feministischen Theorie lenken. Genauso wie die
philosophische Tradition lieber bei der Zuschreibung des
„Weiblichen" verweilte, so schien uns damals „auch
die feministisch orientierte Philosophie bislang einseitig bei der
Dekonstruktion der Imaginationen des Weiblichen aufgehalten zu
haben" . Ist der Mann und die Geschichte der Männlichkeit,
so lautete unsere Frage, zum Forschungsobjekt von feministisch
orientierten Philosophinnen avanciert? Heute reden die Männer
selbst. Dies zeigt, ohne es allzu schnell als „Fortschritt"
deuten zu wollen, doch immerhin die Veränderungen, die in
diesen sieben Jahren im Bereich der Geschlechterforschung
stattgefunden hat. Diese Veränderungen betreffen nicht nur
den Gegenstand und die Rückwirkungen, die die Forschung
entlang der Leitfrage nach dem Geschlecht auf das
wissenschaftliche Selbstverständnis haben, sondern auch den
neuen Status und die Akzeptanz der „Gender Studies". So
ist es für Karl-Otto Apel heute selbstverständlich, der
„Philosophin" ein Interview zum Thema „Deutsche
Nachkriegsphilosophie, Männlichkeiten und Männerbünde"
zu geben. Wie weit das Spektrum der Annäherungen im
Bereich der Männer-, bzw. Männlichkeitsforschung heute
auseinander liegt, wird deutlich, wenn man Apels Erinnerungen an
seine Jugend in der HJ, an seine Erfahrungen als Wehrmachtssoldat
und seine anschließende Studienzeit in Bonn, in der die
Studentinnen, die „Mädchen" den aus dem Krieg
kommenden Kommilitonen klarmachten, „aber ihr seid ja Männer
und auf die Dauer werdet ihr besser sein" etwa neben
Siegfried Kalteneggers Beitrag mit dem vielsagenden Untertitel
„Die Männlichkeit im Zeitalter ihrer theoretischen
Reproduzierbarkeit" legt. Noch weiter werden die Grenzen der
Männlichkeitsforschung gezogen werden müssen, wenn man
Antke Engels (selbst)-kritische Untersuchung der Aneignungs- und
Umarbeitungsmöglichkeiten der Ressource Maskulinität in
lesbischen und transgender Subkulturen mit dazurechnet. –
Oder in eine nochmals geänderte Richtung, wenn man Greg
Kaplans Untersuchung berücksichtigt, wie sich die Erfahrungen
der jüdischen Soldaten im 1. Weltkrieg auf ihr männliches
Selbstverständnis und dieses auf Gestaltung und Verständnis
des deutsch-jüdischen Verhältnisses ausgewirkt haben.
Das Ziel, das wir mit dieser Nummer über
„Männerforschung/ Männlichkeitsforschung"
verfolgen, besteht nicht darin, das Feld abzustecken. Wir möchten
vielmehr die Diskussion über Sinn, Zweck, Erkenntnisziele,
gesellschaftliche und wissenschaftliche Einbindung der
Männlichkeitsforschung und über und das reale und
wünschbare Verhältnis zur feministischen- und
Queertheorie und zu den Gender Studies anstoßen. Deshalb kam
es uns darauf an, möglichst unterschiedliche und unerwartete
Perspektiven auf die und aus der Männlichkeitsforschung
vorzustellen. Nicht große Namen wollten wir versammeln,
sondern das, was an der Basis gedacht wird, zur Diskussion
stellen. Dazu gehört der Beitrag von Jens Krabel und Olav
Struve, die queertheoretische Ansätze in die Jungenarbeit
integrieren, ebenso wie die Thesen von Oliver Geden und Johannes
Moes zu einer reflexiv verfaßten Männerforschung.
Oliver Geden studiert Gender Studies an der Humboldt-Universität.
Johannes Moes war lange Jahre Teilnehmer und Anleiter von
Männergruppen und hat mehrere Männerforschungstagungen
organisiert. Sie verstehen ihren Aufsatz „Reflexive
Männerforschung" als Intervention, als Beitrag zur
fälligen Selbstreflexion des sich neu etablierenden
Wissenschaftsfeldes. Männer reden heute selbst. Wir
haben uns deshalb entschieden, anstelle einer längeren
Einführung, diese Nummer mit einem kurzen Gespräch mit
den beiden Autoren einzuführen.
Die Philosophin
(Ph.): Die Potsdamer Hefte, die Feministischen Studien und die
Philosophin haben sich – unabhängig voneinander -
entschieden, ihre diesjährigen Herbstnummern der Diskussionen
um die Männerforschung zu widmen. Warum gründen die
Männer nicht ihre eigenen Zeitschriften? Fehlt es an
Bewegung?
Johannes Moes (J. M.): Daß Männer die
Diskussion nicht führen, ist sicher ein Defizit. Man muß
jedoch beachten, daß sie als die nach klassischem
Verständnis Herrschenden einen viel größeren
Widerspruch für sich aufzulösen haben, wenn sie
Männerforschung betreiben. Darum reden wir auch nicht von
Männerbewegung, sondern von Männerszene. Für eine
Bewegung fehlt die Basis. Zum ersten Teil Deiner Frage fällt
mir jedoch die Gegenfrage ein, warum sich die feministischen
Zeitschriften der Männerforschung widmen. Das hat sicher mit
der Veränderung durch die Gender Studies zu tun: Die
Einbeziehung aller Geschlechter und die Einführung eines
relationalen Geschlechterbegriffs hat dazu geführt, daß
man beginnt, die Männer als bisher nicht Berücksichtigte
wahrzunehmen.
Oliver Geden (O. G.): Das Projekt einer
eigenen Zeitschrift wurde wohl diskutiert, aber nie umgesetzt. Auf
der anderen Seite ist zu beobachten, daß zu Männern und
Männlichkeiten zunehmend mehr geforscht wird - und zwar auch
von Forscherinnen. Ich glaube, es ist einfach an der Zeit, den
Stand der Dinge wieder einmal zusammenzufassen.
Ph.: Für
die feministische Theoriebildung ist- ebenso wie für
Queertheorie - die Anbindung an eine politische Bewegung als
Korrektiv und als Anstoß unerläßlich. Wie würdet
Ihr die Bedeutung der Männerbewegung für die
Männerforschung beschreiben?
O. G.: Für mich
persönlich war der Zugang zur Männerforschung nicht die
Männerbewegung. Ich bin eher durch die Frauenbewegung, durch
feministische Theorien und einzelne Frauen in diese Richtung
motiviert worden. Allerdings war es für mich wichtig, daß
damals auch schon von Männerseite zu Geschlechterthemen
publiziert wurde. Ich kann die Bedeutung der Männerbewegung –
wobei ich diesen Begriff übertrieben finde – nur schwer
einschätzen. Ich bin selbst in eine Generation
hineingerutscht, für die das schon nicht mehr diese wichtige
Rolle gespielt hat. Als ich mich für die Männerforschung
zu interessieren begann, hatte sie sich bereits ein Stück
weit verwissenschaftlicht.
J. M.: Mit dem Begriff
Männerbewegung habe ich auch meine Schwierigkeiten. Trotzdem
finde ich es wichtig, daran zu erinnern, daß die Entwicklung
der Männerforschung aus Orientierungsschwierigkeiten und
einem Reflexionsbedürfnis entstanden ist, die aus ganz
praktischen Bedürfnissen und Problemen wie z.B. in der
Jungen- und Männerarbeit resultierten.
Ph.: Die
Konjunktur der Männerforschung hat nicht zuletzt ihren Grund
in der Dringlichkeit, mit der sich das Problem der Gewalt in der
Jugendarbeit stellt. Hier kommen die Differenzen zwischen
Identitätsorientierten und Identitätskritischen Ansätzen
in der Männerforschung vor allem zum Tragen. Uns hat es
überrascht, daß gerade in diesem Bereich
identitätskritische Ansätze, die sich etwa an Judith
Butlers Kritik der Heterosexualität orientieren, bewähren,
wie Olav Stuve und Jens Krabel in ihrem Beitrag zeigen.
J.
M.: Es gibt in der Männerszene verbreitet Versuche,
Männlichkeit neu zu definieren, um zu einer anderen
Männlichkeit zu kommen. Ich meine, daß diese Versuche
immer zum Scheitern verurteilt sind, weil es solche Identitäten
weder in einem allgemeinen Sinn, noch in einem unwidersprüchlichen
Sinn für das Individuum geben kann. Deshalb kommt es darauf
an, sich mit den Widersprüchlichkeiten und den gebrochenen
Identitäten auseinanderzusetzen. Es ist sicher richtig, daß
die Konjunktur der Männerforschung mit der öffentlichen
Wahrnehmung von Gewalt auch als vergeschlechtlichtes, männliches
Problem zu tun hat. Die Bindung an solcherlei Forschungsförderung
sollte jedoch nicht zu eng sein, um die Männerforschung nicht
von den Trends der öffentlichen Aufmerksamkeit abhängig
zu machen.
Ph.: Ihr definiert Männerforschung als
„Forschung von Männern über Männer und
Männlichkeit". Und Frauen, die über Männlichkeit
forschen, betreiben nach Eurem Vorschlag Frauen- und
Geschlechterforschung. Wo würdet Ihr queertheoretische
Ansätze einordnen, in denen aus einer Transgender –
Perspektive versucht wird, Maskulinität aus der
phallogozentrischen Ordnung zu entwenden, wie es der Vorschlag von
Antke Engel in ihrem Beitrag ist.
O. G.: Die Zuordnung, die
Ihr zitiert, bezieht sich nur darauf, wie wir in dem Moment, in
dem wir unseren Artikel machen, das Feld der „Männerforschung"
in Abgrenzung zu anderen Feldern theoretisch konstruieren. Vor
allem, weil es im vorliegenden Artikel darum geht , die
wissenschaftspolitische Konfliktlinie „Geschlecht der
forschenden Subjekte" klarer zu machen. Wir würden dafür
plädieren, den Begriff „Männerforschung" in
der theorie-politischen Reflexion zu benutzen.
Wissenschaftstheoretisch würden wir immer von
„Männlichkeitsforschung" sprechen, und dazu zählen
selbstverständlich alle, die über Männer und
Männlichkeit forschen, gleich welcher geschlechtlichen oder
sexuellen Identität.
J. M.: Wir propagieren keinen
Separatismus im dem Sinne, daß Männerforschung von
Männern über Männer betrieben werden sollte. Wir
propagieren keine zweigeschlechtliche Aufteilung in Frauen- und
Männerforschung. Wir würden eher sagen, daß im
großen Haus der Geschlechterforschung alle mit allen zu tun
haben sollten. Und wenn queertheoretische Ansätze
Maskulinität erforschen, dann sollten sich – entgegen
der gängigen Praxis – andere Männerforscher auch
darauf beziehen.
Ph.: Inwiefern bietet Männerforschung
Raum für das Fragen nach der Differenz der Erfahrungen, die
z.B. jemand wie Karl-Otto Apel gemacht hat, der im
Nationalsozialismus diverse Männerbünde durchlaufen hat
(Hitlerjugend, Wehrmacht)? Wie muß Eurer Vorstellung nach
Männerforschung der Verflechtung von persönlichen,
lebensgeschichtlichen Erfahrungen und Geschichte öffnen und
sie berücksichtigen?
J. M.: Uns ist wichtig, eine
reflexive Position zur Geschichte der eigenen Subjektivität
zu bekommen. Wir wehren uns gegen WissenschaftlerInnen und deren
Konzepte, die meinen, ihre Subjektivität kontrollieren zu
können oder zu wollen. Wir meinen, daß unterschiedliche
biographische Erfahrungen positiv in den Forschungsprozeß
eingebracht werden können. Wobei wir darauf hinweisen, daß
die eigene Subjektivität nicht mit Objektivität
verwechselt werden darf.
Ph.: In Greg Caplans Beitrag zur
Frage, wie sich das Bild der jüdischen-deutschen männlichen
Identitäten durch den ersten Weltkrieg verändert hat,
wird deutlich, wieviele Differenzen sich hinter dem scheinbar
homogenen Bild des modernen Mannes auftun, sobald man die
Genealogien im historischen und kulturellen Kontext untersucht. Wo
und wie gehört die Frage nach anderen Differenzen, wie etwa
jene nach den unterschiedlichen Traditionen Judentum –
Christentum für die Herausbildung der modernen
Männlichkeitskonzepte zum Selbstverständnis hiesiger
Männerforschung?
O. G.: Ich meine, diese Fragen sind
deshalb sehr wichtig, weil Männlichkeit ja immer in Relation
zu anderen Differenzen und anderen Strukturierungsprozessen steht.
Daß die Differenz zur jüdischen Identität
aufgemacht wird, wäre gerade in der deutschsprachigen Debatte
sehr wichtig.
J. M.: Die existierende Kritik an der
Männerforschung, daß sie die Sicht der weißen
Mittelschichtsmänner mit der Welt verwechselt, ist sicher
nicht unberechtigt. Um diese Kritik umzusetzen, ist die
Männerforschung bisher vielleicht zu klein. Sie müßte
sich diversifizieren, um verschiedene Ausprägungen von
Männlichkeit aufzunehmen. Mit seinem Konzept der hegemonialen
Männlichkeit hat Robert Connell einen großen Schritt in
diese Richtung gemacht. Sein Konzept erlaubt - zumindest
theoretisch - , diese Unterschiede zu machen und dabei zugleich
nicht zu vergessen, daß die Unterschiede der verschiedenen
Männlichkeiten nicht beliebig sind, sondern immer in ein
Machtsystem eingebettet.
Ph.: Warum bezieht Ihr Euch in
Eurem eigenen Aufsatz nicht auf den Ansatz von Connell?
J.
M.: Unser Artikel ist eher auf einer Metaebene der Reflexion von
Männerforschung angesiedelt, mehr auf der Linie der Ideen von
Bourdieu, Annuß und Hark. Das Konzept der hegemonialen
Männlichkeit dient in der konkreten Männerforschung
allerdings mehr für Vorworte, für die Anrufung. Wenn man
versucht, es durchzuarbeiten, ergeben sich Probleme. Ich verstehe
auch Connell selbst so, daß er sein Konzept gerne mit
soziologischer Theorie anreichern würde. Wobei es hier
verschiedene Angebote gibt und der Streit sich entlang der
Verbindung von Struktur und Akteur bewegt. Da ist theoretische
Arbeit sicher noch vonnöten und das würde Connell auch
nicht bestreiten.
Ph.: Was erhofft Ihr Euch für die
Männerforschung?
O. G.: In Bezug auf unseren Artikel
hoffen wir, daß er auch als Intervention wahrgenommen wird,
die eine Diskussion in Richtung einer notwendigen Selbstreflexion
auslöst.
J. M.: Ich wünsche mir mehr Forschung
zum Thema Männlichkeit. Reflexive Ansätze, wie wir sie
vertreten, sind in einer lebhafteren und größeren
Diskussion auf jeden Fall besser aufgehoben.
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