Der Begriff Exekutive Funktionen umfasst eine Reihe höherer geistiger Funktionen, die den einfachen Informationsverarbeitungsprozessen übergeordnet sind und alle Bereiche des Verhaltens beeinflussen. Diese Kontrollprozesse sorgen für die optimale Ausführung komplexer Handlungen in neuen oder schwierigen Situationen. Zu den exekutiven Funktionen werden Prozesse gezählt, die z.B. die Hemmung von automatischen Reaktionen (Reaktionsinhibition), oder die Verteilung von Aufmerksamkeit auf mehrere gleichzeitig ablaufende Handlungen ermöglichen (Taskmanagement).
Als neuroanatomisches Korrelat exekutiver
Funktionen galt lange Zeit der präfrontale Kortex (PFK).
Patienten mit Läsionen dieses Hirnareals weisen bestimmte
Störungen des Verhaltens auf, z.B. Impulsivität,
Ablenkbarkeit oder sozial unangemessenes Verhalten, sind intellektuell
aber nicht beeinträchtigt. Dieses Störungsbild wurde
zunächst als Frontalhirnsyndrom, später treffender
als dysexekutive Störung bezeichnet. Denn es wurde bald
deutlich, dass auch andere hirngeschädigte Patienten,
deren Läsion sich außerhalb des Frontallappens
befindet, durch dysexekutives Verhalten auffallen können.
Forschungen über neuronale Verbindungen am Tiermodell
haben ergeben, dass der PFK zahlreiche Verbindungen zu subkortikalen
Hirnarealen aufweist. Dazu gehören die Basalganglien
und das Kleinhirn, die durch zurückführende Projektionen
über den Thalamus zum PFK mit diesem teilweise geschlossene
Schaltkreise bilden. Diese Schaltkreise werden zur Zeit als
neuroanatomisches Substrat exekutiver Funktionen diskutiert.
Im Projekt Role of cortico-subcortical networks in executive control werden die Schaltkreise vom PFK über die Basalganglien und vom PFK über das Kleinhirn genauer untersucht. Es soll herausgefunden werden, welchen spezifischen Beitrag die einzelnen Hirnregionen zu den exekutiven Teilfunktionen Reaktionsinhibition und Taskmanagement leisten. Dazu werden gesunde Kontrollpersonen mit drei Patientengruppen verglichen, die einen Schlaganfall im PFK, den Basalganglien oder dem Kleinhirn erlitten haben. Alle Probanden bearbeiten neben neuropsychologischen Standardtests, die z.B. Reaktionsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktionen überprüfen, experimentelle Tests, die speziell zur Erfassung von Reaktionsinhibition und Taskmanagement konzipiert wurden.
Wenn PFK, Basalganglien und Kleinhirn innerhalb der Schaltkreise eine spezifische Funktion zukommt, sollten sich die zu erwartenden Defizitmuster der drei Patientengruppen unterscheiden. Bis jetzt hat sich gezeigt, dass die von uns untersuchten Kleinhirn-Patienten keine Schwierigkeiten haben, Reaktionen zu hemmen, oder zwei Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Basalganglien-Patienten sind in der Reaktionshemmung verlangsamt und machen mehr Fehler. Sie brauchen auch länger, um auf Reize aus zwei Sinnesmodalitäten zu reagieren. Bei einer bisher noch kleinen Gruppe PFK-Patienten zeigen sich ebenfalls Defizite in geteilter Aufmerksamkeit und Reaktionsinhibition. Letztere beschränken sich aber auf überlernte, im Alltag automatisierte Handlungen. Es zeichnet sich somit ab, dass verschiedene Läsionsorte innerhalb eines Schaltkreises unterschiedliche Auswirkung auf das Verhalten haben.