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Erste Forschungsergebnisse

Ziel & zentrale Fragen

Das Projekt untersucht Migrantenorganisationen (MO), die grenzüberschreitend zwischen ausgewählten Ankunftsländern (Deutschland, Großbritannien, Polen und Spanien) und den jeweiligen Herkunftsländern der ausgewählten MO tätig sind. Es differenziert unter Einbeziehung organisationssoziologischer Theorien verschiedene Typen grenzüberschreitender MO und untersucht deren spezifischen Kontextbedingungen. Hierdurch sollen Erkenntnisse über den Beitrag von MO zur zivilen und politischen Partizipation und Inkorporation von Migranten in Europa gewonnen werden. Folgende spezifische Fragen sollen beantwortet werden:


1. Wie verbreitet sind grenzüberschreitende MO in den vier Ländern Deutschland, Großbritannien, Polen und Spanien?

2. Welchen Anteil haben hierbei jeweils Organisationen, die als global, fokal, multinational oder transnational bezeichnet werden können?

3. Welche Kontextbedingungen tragen zur Herausbildung dieser Typen von MO bei?


Auswahl der Fallstudien

In jedem Land wurde eine Erhebung von MO erstellt, um einen Überblick über die Organisationslandschaft zu gewinnen und um eine Basis für die Auswahl der Herkunftsländer für jedes Ankunftsland zu schaffen. Somit wurden aus dem gesamten Pool der erhobenen MO pro Ankunftsland zwei Herkunftsländer ausgewählt, von denen zwei bestimmte Typen von MO - politische und religiöse - näher untersucht wurden. Bei der Auswahl der Herkunftsländer der MO wurde zum einen deren quantitative Bedeutung und zum anderen ihre lange oder auch junge Migrationsgeschichte berücksichtigt, um unterschiedliche Kontextfaktoren für die Entstehung und Verbreitung von MO zu vergleichen.


Folgende Länderauswahl wurde getroffen:


1. Ankunftsland Deutschland: Herkunftsländer Türkei und Polen

2. Ankunftsland England: Herkunftsländer Indien und Polen

3. Ankunftsland Polen: Herkunftsländer Vietnam und Ukraine

4. Ankunftsland Spanien: Herkunftsländer Ecuador und Marokko


Die jeweiligen Informationen über die Organisationen (z.B. die genauen Aktivitätsschwerpunkte der Organisation, die Ziele, Strukturen etc.) wurden per Internetrecherche, Fragebogenerhebungen und Telefoninterviews erhoben. Der Fokus der Analyse lag dabei auf grenzüberschreitenden MO, d.h. MO, deren Aktivitäten sich relativ gleichgewichtet auf das Ankunfts- und Herkunftsland bzw. auch weiterer Länder richten. Anhand der Ergebnisse dieser Analyse wurde eine Vorauswahl von etwa 20 bis 40 MO pro Forschungsland getroffen, die dem Idealtypus von transnationalen MO nahe kommen. Für die qualitativen Fallstudien wurden aus dieser Vorauswahl in Deutschland acht und in den weiteren drei Forschungsländern jeweils vier Organisationen als Fallstudien ausgewählt, die im Folgenden aufgeführt sind:


1. Deutschland: 'Polnischer Kongress in Deutschland e.V. ', 'Polregio e.V. ', 'Polnische Missionsgemeinde Hamburg e.V. ', 'Polnische Katholische Mission in Deutschland e.V. ' sowie die 'Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. ' (AABF), 'Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V. ' (IGMG), 'Föderation Demokratischer Arbeitervereine e.V. ' (DIDF) und 'Verband der Vereine aus Kurdistan e.V. ' (KOMKAR).

2. Polen: 'Polish-Ukrainian Association Prospect ' und 'Our Choise ' sowie die vietnamesischen Organisationen 'Solidarity and Friendship ' und 'Association of Free Expression '.

3. England: 'The Indian Workers Association ', 'The Sikh Human Right Group ' sowie 'Polish Scouting Association ' und 'Federation of Poles '.

4. Spanien: die marokkanischen Organisationen 'Sociocultural Association Ibn Batuta ' und 'Solidarity Space Association ' sowie 'Ruminahui Latin Ecuadorian Association ' und 'Association of Ecuadorian Immigrants for Solidarity and Cooperation in Catalonia '.

Bisherige Forschungsergebnisse


Folgende Ergebnisse wurden in der bisherigen Forschungsphase erzielt:

In jedem Forschungsland (Deutschland, England, Polen, Spanien) wurden anhand eines gemeinsam entwickelten Forschungsdesigns die jeweiligen Länderkontexte analysiert und dokumentiert. Der erste Vergleich der Berichte über die Kontextfaktoren der Ankunftsländer macht deutlich, dass in allen vier Ländern insbesondere der historische, demographische, ökonomische, soziale und politische Kontext die Organisation von Migranten weitestgehend beeinflusst. Die politischen Gelegenheitsstrukturen (POS) der jeweiligen Länder spielen eine besondere Rolle bei den jeweiligen Organisationsstrukturen und bei der Ausrichtung der Ziele und Aktivitäten. Spezifische Charakteristika der untersuchten Migranten, die Strukturen und Strategien der grenzüberschreitenden Migrantenorganisationen sowie der supranationale und globale Kontext, in die die Organisationen eingebettet sind, sind ebenso Faktoren, die zum Verstehen und zur Erklärung der Organisationen wichtig sind.


Neben der Analyse der Kontextfaktoren der Ankunftsländer wurden ebenfalls die Kontextfaktoren der jeweiligen Herkunftsländer analysiert um eine Einbettung der ausgewählten MO in den Kontexten der Ankunfts- und Herkunftsländer sowie gegebenenfalls der EU-Ebene zu gewährleisten. Dabei konnten unterschiedliche Kontextfaktoren in den vier Vergleichsländern festgestellt werden, die hier nur kurz zu erwähnen sind:


1. Polen zeichnet sich z.B. durch eine sehr kurze Migrationsgeschichte aus - Einwanderer sind zum größten Teil Flüchtlinge oder halten sich nur temporär in Polen auf. So sind in diesem Fall in Relation wenige MO sowie auch grenzübschreitend arbeitende MO zu finden.

2. In Spanien werden MO, die Entwicklungsprojekte durchführen, staatlich unterstützt. Dies wiederum hat einen großen Einfluss auf die Organisationslandschaft in Spanien - die Zahl der Organisationen, die Entwicklungsprojekte durchführt, ist sehr hoch. Aus diesem Grund ist es schwierig, autonome MO zu finden.

3. In England existiert eine breite Landschaft von MO und ethnischen Minderheiten. . Nichts desto trotz lassen sich keine zuverlässigen einheitlichen nationalen Erhebungen zu diesen Organisationen finden. Studien, die in diesem Feld durchgeführt worden sind, beziehen sich auf "black and asians" - sogenannte ‚weiße' Migranten sind in diesen Studien nicht mit berücksichtigt worden.

4. In Deutschland gibt es trotz der starken Verbreitung von MO ebenfalls keine systematische Analyse aller Organisationen und deren Organisationsstrukturen.


Erste Annahmen, die aufgrund der vorläufigen Forschungsergebnisse der Länder- und Fallstudien aufgestellt werden können, sind:


1. Transnationale MO bilden lediglich eine Minderheit innerhalb von grenzüberschreitenden MO.

2. Die meisten grenzüberschreitenden MO sind ankunftslandfokal, weisen jedoch transnationale Charakteristika auf.

3. Transnationale soziale Felder, in denen die Führung von grenzüberschreitenden MO und Aktivisten eingebettet sowie transnationale organisationale Felder, in denen MO eingebettet sind, stellen entscheidende Rahmenbedingungen für die Transnationalisierung von MO dar.

4. Politische oder religiöse Konflikte bzw. Spannungen im Herkunftsland sowie die politischen Gelegenheitsstrukturen (POS) in Ankunftsland sind die wichtigsten Faktoren für die Stärkung der grenzüberscheitenden bzw. transnationalen Charakteristika von MO.

5. Sowohl der 'Ping-Pong-Effekt' zwischen Herkunfts- und Ankunftsland sowie der 'Boomerang-Effekt' via EU fördert und verstärkt die grenzüberschreitenden und transnationalen Charakteristika von MO.

6. Geringe Partizipationsmöglichkeiten im Herkunftsland reduzieren die Möglichkeit von grenzüberschreitenden Aktivitäten und Zielen der MO.


Die für jedes Forschungsland durchgeführten Länder- und Fallstudien werden in einem nächsten Schritt verglichen und sollen in einem Gesamtbericht münden.